Sonntag, 1. Oktober 1916 – Hebammenausbildung: „Es werden nur Schülerinnen aufgenommen, welche nicht schwanger sind.“

Hebammen wurden im Kanton St.Gallen seit 1835 ausgebildet. Zusammen mit Bern, wo eine zweite Hebammenschule bestand, leistete St.Gallen auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Anfangs fand der Unterricht im Haus vor dem Müllertor (heute St.Georgenstrasse 9) in St.Gallen statt. Die Ausbildung dauerte 3 Monate. 1886 wurde auf dem Areal des Kantonsspitals die kantonale Entbindungsanstalt eröffnet. Diese bot Platz für 30 Wöchnerinnen. Der Anstaltsarzt und die Oberhebamme waren fortan mit der theoretischen und praktischen Ausbildung der Hebammenschülerinnen betraut:

Bekanntmachung.

Der Unterrichtskurs für Hebammenschülerinnen wird Montag[,] den 8. Januar 1917, vormittags 10 Uhr, in der kantonalen Entbindungsanstalt eröffnet und dauert 26 Wochen. Anmeldungen hiefür sind dem Anstaltsarzt, Herrn Dr. P. Jung in St.Gallen, zuhanden der Sanitätskommission bis zum 30. November 1916 einzureichen.

Zur Aufnahme in den Hebammenkurs sind erforderlich und bei der Anmeldung einzusenden:

a) in gemeinderätliches Leumundszeugnis;

b) ein Geburtsschein, welcher bezeugt, dass die betreffende Person nicht unter 18 und nicht über 32 Jahre alt ist;

c) das letzte Schulzeugnis;

d) ein Impfschein;

e) ein ärztliches Zeugnis über die zur Erlernung und Ausübung des Hebammenberufes erforderlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Eine Nachprüfung durch den Hebammenlehrer bleibt vorbehalten.

Es werden nur solche Schülerinnen aufgenommen, welche nicht schwanger sind.

Die Hebammenschülerinnen erhalten Kost und Logis in der Entbindungsanstalt. Hiefür bezahlen Kantonsbürgerinnen, welche seit mindestens 2 Jahren im Kanton niedergelassen sind, pro Tag Fr. 1.50 = Fr. 273.- für den ganzen Kurs, die übrigen Schülerinnen pro Tag Fr. 2.50 = Fr. 455.-. Für erstere ist der Unterricht unentgeltlich, letztere bezahlen ein Schulgeld von Fr. 75.-. Alle haben des weitern zu entrichten: den Kostenbetrag für das Lehrbuch und die Hebammengeräte, sowie die Gebühren für die Prüfung und das Patent.

Der Betrag des Kost- und Schulgeldes ist vor dem Eintritt bei der Kantonsspitalverwaltung zu hinterlegen.

St.Gallen, den 1. Oktober 1916.

Im Auftrage der Sanitätskommission,

Der Aktuar:

Dr. Real.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Ausbildung von Hebammen, erschienen im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 14 vom 6. Oktober 1916, S. 427f.) und ZMA 18/01.07-10 (kantonale Entbindungsanstalt auf dem Gelände des Kantonsspitals, um 1910)