Sonntag, 8. Oktober 1916 – Fangball, Jugendriegen und ein Gruss aus New York

Der Vorstand des kantonalen Turnverbandes traf sich zu einer Sitzung im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen:

[…]

II. Verkehr mit turnerischen Organen.

[…]

b) mit den Bezirksverbänden:

[…]

2. Vom Bezirksturnverband St.Gallen u. Umgebung orientiert ein Protokollauszug über die Vorstands-Sitzung vom 9. September und mit Zuschrift vom 13. September stellt der gleiche Verband die Ansuchen, der Kantonalvorstand möge zur weitern Abklärung der Fangballspiele genauere Bestimmungen über die Rangierung aufstellen und weiter zur Vermeidung von Unzukömmlichkeit bei Messungen von Läufen die Anschaffung von Apparaten für elektrische Messungen in Erwägung ziehen. Über die erste Anregung für Kantonal-Oberturner Tobler aus, dass für Rangierung im Fangballspiel eben mehr als ein oder zwei Spiele auszutragen seien; in diesen Fällen ergibt sich dann die Rangfolge ohne weitere Bestimmungen. Auf die Anschaffung von elektrischen Apparaten empfiehlt der gleiche Referent der hohen Kosten wegen z.Z. nicht einzutreten; diese Sache könne in normalen Zeiten erwogen werden. Der Vorstand schliesst sich diesem Votum mit einstimmigem Beschluss an; den Anregungen damit keine Folge gebend. Im Fernern übermittelt der gleiche Verband die Rangliste über den am 3. Sept. in St.Gallen abgehaltenen Turntag.

[…]

IX. Vorunterricht.

[…]

a) Alt Oberturner „Brühlmann – Tablat“ und mehrere andere bekannte Mitglieder des Schweizerturnvereins „West-Hoboken New Yersy [sic] entbieten von einer Turnfahrt nach New-York freundliche Grüsse. Dieselbe wird zu erwidern beschlossen.

b) An der Bahre des am 1. August in den Walliserbergen verunglückten Sohnes von Ehrenmitglied Jean Rüesch hat das Büreau einen Kranz unter Übermittlung eines Kondolenzschreibens niederlegen lassen. Mit Dankschreiben vom 7. August hat der trauernde Vater davon Kenntnis genommen.

c) Gemäss erteiltem Auftrag hat Kantonal-Oberturner Tobler über die vorgesehene Organisation des Jugendturnens, bezw. Gründung von Jugendriegen für die schulpflichtige Jugend von 12 Jahren an, resp. vom Austritt der 6. und 8. Klasse der Primarschule und für die Jugend vom 15.-16. Altersjahr folgende Leitsätze aufgestellt:

Turnunterricht soll unentgeltlich erteilt werden.

Anschluss an das Vereinsleben darf nicht erfolgen.

Pflichten des Schülers oder Jünglings:

Regelmässiger Besuch der Übungen, pünktliches Erscheinen, anständiges Betragen während und nach den Übungen.

Rücksichtnahme bei Ansetzung der Übungen und Ausmärsche auf die religiösen Pflichten.

Die Übungen sollen zeitlich möglichst früh angesetzt werden.

Der Eintritt in die Riegen soll mit Wissen und im Einverständnis der Eltern erfolgen, welchen auch über die Ansetzung und Dauer der Übungen event. Ausmärsche Mitteilung zu machen ist, um von Seite der Eltern Kontrolle über ihre Söhne ausüben zu können.

Die Eltern sowohl, wie auch Behörden und weitere Interessenten sollen durch persönlichen Besuch für das Jugendturnen gewonnen werden, wo Turnfreundlichkeit und Verständnis vorhanden durch Aufrufe zum Beitritt einladen und zwar alle Frühlinge. Wenn möglich soll dem Aufrufe die Form eines Propagandaschriftchens gegeben werden.

Der Turnstoff wird für den Sommerbetrieb spez. aus dem volkstümlichen Turnen entnommen und sollen die Übungen wenn immer möglich im Freien abgehalten werden, im Winter wird das Geräteturnen mehr in den Vordergrund treten. Auch sind die freien Leibes-Übungen des Sommers-Wintersportes [?] wenn immer möglich zu berücksichtigen. Sowohl an Orten, wo nur im Sommer, als auch an solchen, wo das ganze Jahr geturnt werden kann, soll der Arbeit ein bestimmtes Jahres- bezw. Halbjahres-Arbeitsprogramm zu Grunde gelegt werden, das auf eine sorgfältige und allgemeine Körperausbildung hinzielt.

Für die Leiter von Jugendriegen werden wenn immer möglich Kurse abgehalten, an denen nicht nur der Turnstoff behandelt wird, sondern auch durch Vorträge für ein richtiges Verständnis und richtige Auffassung des Jugendturnens und für allgemeine Aufklärung gesorgt wird.

Für die Aufsicht und Kontrolle über die Jugendriegen werden Kreischefs bestimmt, denen bis 6 Riegen unterstellt sind. Dieselben sollen anlässlich ihrer Besuche auf vorhandene Fehler hinweisen und belehrend wirken.

In der Diskussion erwähnen Tobler die nach seiner Ansicht laue Haltung der kantonalen Schulturnkomission [sic] und Sinkowitz Erscheinungen, die auf äusserst konservative Auffassungen verschiedener Erziehungsbehörden schliessen lassen.

Um diese Angelegenheit zu Handen der Abgeordneten-Versammlung endlich richtig vorbereiten zu können, wird dieser Punkt nochmals auf die Traktandenliste der nächsten Sitzung vorgemerkt.

d) In Ermangelung eines passenden Bildes wird davon Umgang genommen dem Geschäftsbericht über die verflossene Amtsdauer ein Solches vorzuhalten.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) und W 238/06.09-41 (Festpostkarte zum St.Gallischen Kantonal-Turnfest in Rapperswil 1911, abgestempelt am 17.06.1917)