Bundesfeierkarte

Mittwoch, 1. August 1917 – Bundesfeiertag

Im Album Aus den Kriegszeiten von Joseph Fischer finden sich neben den Briefen von Kriegsgefangenen (vgl. Beiträge vom 7. Januar, 26. August und 24. Oktober 1916) auch viele in- und ausländische Postkarten. Zum ersten August 1917 sammelte der zwei Karten, die vom Schweizerischen Roten Kreuz herausgegeben worden waren.

Bundesfeierkarte Rückseite

Das Album enthält noch eine zweite Karte zu diesem Anlass, die Rückseite ist identisch. Das Bild stammt vom Künstler Edouard Vallet (1876-1929, vgl. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D22112.php):

Bundesfeierkarte 2

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 207/61 (Album «Aus den Kriegszeiten» von Joseph Otto Ferdinand Fischer)

kompagnie Soldaten

Dienstag, 10. Juli 1917 – Neuschnee im Engadin

Das Geb.Sch.Bat. 8 (Gebirgsschützen-Bataillon 8) leistete vom 27. Mai bis zum 26. August 1917 Aktivdienst im Engadin. Stationiert war die Truppe in St.Moritz, Pontresina, Ponte, Schuls und auf dem Umbrail.

Am 10. Juli 1917 unternahm die 4. Kompagnie einen Gebirgsmarsch im frischverschneiten Grenzgebiet gegen Italien. Die Tour führte (den Abbildungen im Erinnerungsalbum gemäss) von La Punt durch das Val Chamuera und die zugehörige Fuorcla Chamuera ins Val da Fain auf die Alp Stretta, von dort an die Landesgrenze auf Fuorcla La Stretta, dann zurück ins Val da Fain und auf den Berninapass (oder umgekehrt).

Val ChamueraOriginallegende: Val Chamuera, 10.7.17.

Fuorcla StrettaOriginallegende: Marsch über Fuorcla Stretta 10. Juli 1917

Val da FainOriginallegende: Val del Fain gegen das Livignotal 10.7.17

Val da Fain Bernina

Originallegende: Val del Fain gegen die Bernina 10.7.17.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 132/2, Seiten 107, 111 (Beitragsbild, Kompagnie auf Passhöhe Casana, 2692 m) und 112

Wache

Sonntag, 17. Juni 1917 – Datierungsfragen

Das Geb.Sch.Bat. 8 (Gebirgsschützen-Bataillon 8) leistete vom 27. Mai bis zum 26. August 1917 Aktivdienst im Engadin. Stationiert war die Truppe in St.Moritz, Pontresina, Ponte, Schuls und auf dem Umbrail.

Des Erinnerungsalbum enthält auch das Bild, das im Kopf dieses Beitrags zu sehen ist. Es ist am linken Rand datiert mit Wache St.Moritz! 17.VI.17. Dieses Datum stimmt mit den Wochentagen im Jahr 1917 überein – im Jahr 1916 war der 17. Juni ein Samstag.

Auch die Legende im Album nennt es: Auf Wache am 17. Juni (Sonntag) in St.Moritz und auf der Rückseite der Karte findet es sich erneut (in der Mitte, auf den Kopf gestellt).

Wache Ruecks2

Auf der Rückseite des Bildes allerdings findet sich das Schreiben eines Soldaten an seine Cousine, datiert mit Maloja 7.VII.16 Dass der Abzug erst im Juli verschickt wurde, hat mit der Tatsache zu tun, dass der Film entwickelt werden musste, die Datierung auf 1916 darf neben den anderen Belegen als falsch eingestuft werden. Ob es daran lag, dass Vetter Linus aus dem Krankenzimmer schrieb?

Liebe Base!

Nebst diesem wirklich vorzüglichen Bild & ein paar Alpenrosen sendet Dir aus dem Ober Engadin die besten Grüsse

Vetter Linus

Nächste Woche geht’s ins Münstertal an die italienisch-oesterr. Grenze. Momentan bin ich im Krankenzimmer. Fuss verheit [Fuss «kaputt gemacht»]. Anfang od. Mitte August folgt Entlassung. Vielleicht[,] dass ich dann mal nach dort komme. Auch ein Gruss an Herrn Brunner.

Einblick in das Krankenzimmer des Gebirgs-Schützenbataillons 8 (man beachte im Hintergrund an der Wand die Zeitungen als Tapeten):

Krankenzimmer

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 132/2, Seite 109 und Seite 97

 

1917

Montag, 1. Januar 1917 – Wir machen weiter!

Die vielen positiven Reaktionen auf unser Projekt «Zeitfenster 1916» bewegen uns, den History Blog für 1917 weiterzuführen: Knapp 90’000 Klicks auf die Webseite bis Ende Jahr und 290 Follower auf Twitter sind eine respektable Bilanz für ein Unterfangen, das – zugespitzt formuliert – nur trockene Amtsblattnachrichten, Protokollauszüge, Tagebucheinträge und Kreisschreiben publiziert.

Wie im gestrigen Beitrag geschrieben, werden wir 2017 nicht mehr jeden Tag eine Quelle publizieren und den Quellenbestand reduzieren. Inhaltlich bleibt die Ausrichtung ähnlich wie für das Jahr 1916: Es wird geliebt und gestorben, gestritten und versöhnt, geputzt und verschmutzt, erfunden und verbunden. Man begegnet der Bevölkerung und ihren Behörden im teilweise kriegsgeprägten Alltag – 1917 wurde in der Schweiz die Lebensmittelrationierung eingeführt, und ganz allgemein zeigt sich eine gewisse Kriegsmüdigkeit.

Auch 1917 wurden Patente veröffentlicht, landwirtschaftliche Produkte hergestellt und vertrieben. Alte Bekannte wie das Ehepaar Wenner-Andreae (vgl. die Beiträge vom 12. und 24. Januar 1916), der Gymnasiast Ernst Kind und der Arbeitersekretär Josef Scherrer werden wieder schreiben.  Zudem sind neue Bekanntschaften zu machen, so mit Architekt Johann Baptist Thürlemann von Oberbüren und seiner Haushälterin, Caroline Wick.

Nicht zuletzt führen wir den History Blog  weiter, weil er weiterhin als «Entstaubungsmaschine» gegen das Klischee wirken soll, dem Archive immer noch unterworfen sind:

Anzeige für Entstaubungsmaschinen

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 770.1917 (Offizielles Adressbuch von Gross-St.Gallen 1917, erschienen bei Otto Lütolf, Druck und Verlag, St.Gallen; Abbildungen vom Bucheinband)

Donnerstag, 28. Dezember 1916 – Porträtfotos zum Jahresende

Das Bild ist auf der Rückseite datiert und die Personen identifiziert: Die „Custerli‘s“ 28/12/16 Heiner & Ruedi. Der Fotograf ist unbekannt. Die beiden Buben tragen die damals zeittypischen Matrosenhemden.

Heinrich L. Custer war später Drogist und hobbymässig Genealoge in Rheineck, sein Bruder wählte den Beruf des Apothekers.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 076/1.61.6.13 (Porträtfotografie der Brüder Rudolf Custer (1913-?) und Heinrich L. Custer (1911-1999) von Rheineck)

Montag, 4. Dezember 1916 – „An die Kunst“

Sucht man im Katalog des Staatsarchivs St.Gallen im Zeitraum von ca. 1900 bis 1920 nach einem Bild zum Thema Kunst, so findet man diverse Begriffe: Kunsthonig, Kunststein, Kunstbutter, Kunstgärtnerei, Kunststickerei, Kunstschlosserei, Kunstmarmor, Kunstdruckerei, Kunstmalerutensilien, Kunstbuchhandlung, ein Atelier für Bau- und Monumentalkunst, eine kunstgewerbliche Werkstätte, eine Photographische Kunstanstalt, eine Anstalt für kirchliche Kunst.

Dr. Friedrich (Fritz) Rohrer wurde in Buchs geboren. Er studierte an den Universitäten Würzburg, Wien und Zürich Medizin und schloss mit einer Dissertation über „Das primäre Nierencarcinom“ ab. Er praktizierte von 1871 bis 1874 als Arzt in Buchs, war gleichzeitig Bezirksschulrat und Kantonsrat. Von 1885 bis 1921 war er in Zürich Privatdozent für Ohrenheilkunde. Auch dort wirkte er als Politiker im Kantonsrat. Rohrer war auch begeisterter Botaniker und legte ein Herbarium von ca. 50‘000 Blättern an.

An die Kunst.

Aus Lilien zart und weiss

Und purpurroten Rosen

Erhebt sich sanft und leis

Das holde Bild der Kunst;

Umschwebt in Farbenpracht

Von Faltern, meisterlosen

So emsig Tag und Nacht

Wohl um des Himmels Gunst.

Sei uns gegrüsst

Aus Blumen traut Geborne;

Du goldner Hoffnungsstern,

Vom Schicksal Auserkorene

Der Menschheit, nach und fern.

 

Du bist und fern, doch nah

Dem unbeschwerten Herzen.

Verschmachtend, wer Dich sah

Fühlt selig sich erquickt.

Hoch flammt Dein heil’ger Chor!

In tausend Königskerzen

Brunsthell Dein Trieb empor

Und hat die Welt beglückt.

Sie uns gegrüsst,

Du Born, aus ew’gen Auen,

Du strahlend kühner Held,

Dir wollen wir vrtrauen

So lang es Gott gefällt.

Zürich, 4.XII.1916              Dr. Fritz Rohrer

Portraet

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 009 (Gedicht „An die Kunst“ von Dr. med. Friedrich Rohrer (1848-1932)), BMA 406 (Porträt), ZDA 2/2.18.0120 (Informationen zur Biografie) und ZMH 02/030 (Briefkopf, 1901)

Sonntag, 15. Oktober 1916 – Der Architekt fotografiert auf dem Sonntagsspaziergang

Oberbüren, Dorfpartie (Negativ auf Glasplatte).

Johann Baptist Thürlemann, Architekt in Oberbüren, hinterliess eine sorgfältig datierte Negativsammlung. Diese beiden Bilder schoss er am Sonntag, den 15. Oktober 1916.

Thurau

Thurau bei Oberbüren, im Hintergrund Niederbüren (Negativ auf Glasplatte).

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZOA 008/1.028 und ZOA 008/1.018 (fotografischer Nachlass von Johann Baptist Thürlemann (1852-1939), Architekt in Oberbüren)

Freitag, 22. September 1916 – Über den Büchernachlass des dienst-ältesten Staatsarchivars

Otto Henne-am Rhyn (1828-1914) ist mit dreissig Amtsjahren (1859-1872 und 1885-1912) der bisher dienstälteste Staatsarchivar des Kantons St.Gallen. Er war ausserdem als Historiker, Journalist und Schriftsteller tätig und bei den Freimaurern aktiv. Am 22. September 1916 schrieben Tochter und Schwiegersohn von Henne an dessen Nachfolger, um offene Fragen bezüglich Hennes Büchernachlass zu klären:

Weiz [Steiermark, Österreich] 22 Sept 1916.

Sehr geehrter Herr Staatsarchivar [Josef Anton Müller-Häni]. –

Auf Ihre geschätzte Anfrage vom 4. ds. teilen wir Ihnen höfl. mit, dass wir tatsächlich an das Antiquariat Oswald Weigel in Leipzig eine Anzahl Werke aus dem Nachlasse unseres Vaters bezw. Schwiegervaters Dr. Henne am Rhyn abgegeben haben.

Weigel behauptete[,] dass der Letztere ihm bei Lebzeiten die ganze Bibliothek dereinst zu überlassen versprochen habe und trotzdem wir ihm mitteilten, dass der allergrösste Teil derselben in der Staatsbibliothek in St.Gallen verblieben sei, schrieb er uns unzählige Briefe mit der immer wiederholten Bitte[,] ihm doch einen Teil der sich in unseren Händen befindenden Bücher zu überlassen, da eine so lebhafte Nachfrage nach der Bibliothek Dr. H. a. Rh’s, besonders von Freunden in Amerika herrsche.

Wir glaubten deshalb im Sinne des l. Toten zu handeln, wenn wir sein Versprechen erfüllen u. überliessen dann schliesslich W. meist Dubletten und andere Bücher[,] die Sie aus dem Verzeichnisse ersehen. Wir sind desh. einigermassen erstaunt, dass er die Bücher nun Ihnen zum Kaufe anbietet. Es wäre wohl einfacher gewesen, die Bücher gleich dem St.Galler Archiv zu schicken, wenn Sie uns s.Z.[,] als wir Ihnen von dem Ansinnen W’s Mitteilung machten[,] gesagt hätten, dass sich das St.G. Archiv für den Ankauf weiterer Bücher aus dem Nachlasse Dr. H. a. Rh. interessiere, wir hätten Ihnen dieselben gerne überlassen. Das lässt sich nun nicht mehr ändern. Wir haben jedoch noch einige Werke zurückbehalten, welche wahrscheinlich für das St.Galler Archiv besonderes Interesse hätte [sic] u. welche wir demselben abtreten würden, falls dasselbe diese Bücher zu erwerben wünscht. Gelegentlich wollen wir eine Zusammenstellung dieser Bücher, Manuskripte u. Broschüren für Sie machen; die Abgabe derselben müsste jedoch bis nach Beendigung dieses schrecklichen Krieges verschoben werden, da gegenwärtig nichts Derartiges über die Grenze gelassen wird. –

Es würde uns interessieren zu welchem Abschlusse Sie mit W. gekommen sind.

Inzwischen begrüssen wir Sie mit vorzüglicher Hochachtung

Rud. Oppler [Ingenieur, Schwiegersohn von Otto Henne-am Rhyn]

Frida Oppler [Tocher von Otto Henne-am Rhyn]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 021/1.2 (Nachlass Otto Henne) und Q 3/40 (Porträt von Otto Henne)

Donnerstag, 14. September 1916 – Bestnote für einen Maturaaufsatz über die Armee

Maturaaufsatz im Fach Deutsch von Jakob Sonderegger, Schüler der Klasse 5t an der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen. Die schriftlichen Maturitätsprüfungen fanden vom 13. bis zum 16. September statt. Der Aufsatz ist nicht datiert.

 Was verdanken wir in den jetzigen Zeiten unserer Armee?

Disposition.

A Einleitung: Die Armee verdient heute mehr als je unsere Aufmerksamkeit.

B. Hauptteil; Was ist die Armee dem Staate?

I. Sie hilft dem Staate in der Wahrung seines Ansehens im Ausland.

a. Stellung unseres Staates[,] als er keine starke Armee besass (1798)

b. Stellung der Schweiz in diesem Kriege.

c. Wir verdanken letztere unserer Armee.

II. Sie hebt auch den innern Wert des Staates.

a. Sie kann Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten.

b. Sie erzieht tüchtige Bürger.

C. Schluss. Die Armee ist wert, dass man sie pflegt und ausbaut.

In gewöhnlichen Zeiten redete man wenig von unserem Heere. So einmal im Jahre, zur Zeit der Herbstmanöver, erwachte jeweils das Interesse für das Soldatenleben, um dann über den Winter wieder einzuschlummern. Heute dagegen redet man kaum mehr von etwas anderem. Man spricht und schreibt über sie, man zankt sich über ihren Wert und ihre Befugnisse und gerät dabei allzuleicht in Gefahr zu vergessen, was wir ihr verdanken.

Jeder Schweizer ist stolz, dass unser kleines Land inmitten grosser, mächtiger Nachbarn selbständig geblieben ist. Wir wollen uns aber hüten diese Selbständigkeit als etwas Selbstverständliches hinzunehmen. Die Ereignisse von 1798 und 99 zeigen uns ja, wie leicht sie verloren gehen könnte; denn damals war es ja nur die Gnade oder Ungnade der Grossmächte, die über unser Schicksal entscheiden konnte. Wohl besass jeder der alten Orte ein kleines Heer. Doch es war vernachlässigt und von einer gemeinsamen Ausbildung aller dieser kleinen Einzelkontingente, die allein eine widerstandsfähige Waffenmacht hätte schaffen können, war keine Rede. Zudem standen ja die meisten schweizerischen Patrizier in fremdem Solde, den sie sich entweder wirklich im Waffendienst erwarben, oder aber durch Verrat an ihrem Vaterlande. Als sich daher in der Revolutionszeit und in den napoleonischen Kriegen fremde Heere auf unserem Boden herumschlugen, konnten die Schweizer nichts Besseres tun als zuzusehen. Am Willen und an der moralischen Kraft zum Widerstande hätte es vielerorts nicht gefehlt; das zeigen uns die Schwyzer und Unterwaldner, die von den zweifelhaften Neuerungen der französischen Revolution nichts wissen wollten. Was nützte aller Mut und alle Kraft der Einzelnen gegen das planvolle, geordnete Vorgehen der Franzosen? Wäre die Schweiz damals nicht in einem so verlotterten Zustande gewesen, so wäre ihr ganz sicher jene schmachvolle Zeit erspart geblieben.

Auch heute ist überall um uns herum Krieg, nur wir geniessen den Frieden. Bei uns herrscht Ruhe und Ordnung, jeder geht seinem Gewerbe nach und denkt nur an den Krieg, wenn er ihn in der Ausübung seines Berufes hindert. Was ist die Ursache dieses unverdienten Glückes? Gewiss, die Schweiz ist neutral. Neutralität aber schützt sie nicht, denn sie wird in diesem Kriege nicht hoch eingeschätzt. Nur die Macht verdient den Segen des Friedens, die sowohl innerlich als auch nach aussen stark ist, und die sich bewusst ist, dass sie bereit sein muss, den Frieden zu wahren. Ob wir diese innerliche Stärke besitzen, darüber kann man sich streiten. Denen, die daran zweifeln, sei unsere Armee ein Trost. In langer Friedensarbeit, während welcher unendliche Hindernisse, wie der vielberüchtigte Kantönligeist überwunden werden musste, ist ein Heer geschaffen worden, das sich sehen lassen darf. Es mag wohl sein, dass die Verhältnisse, wie sie lagen, uns das Schicksal Belgiens ersparten. Wir wissen aber nicht, wie es gekommen wäre, wenn unser Heer ebenso so verlottert gewesen wäre, wie das belgische. Auch durch die Schweiz hindurch hätte Deutschland in wichtige französische Industriegebiete vorstossen können unter Umgehung der starken französischen Festungen.

Es muss also wohl die Tüchtigkeit unserer Armee in erster Linie der Grund sein, dass wir unangetastet geblieben sind. Sie hat uns unsere Selbständigkeit bewahrt.

Viele Schweizer sind überzeugt, dass wir nie in einen Krieg verwickelt werden, und dass unser Heer darum völlig unnütz sei. Von dieser Überzeugung kann man ja halten, was man will; niemals aber darf man behaupten, dass deswegen die Armee abgeschafft werden sollte; denn auch im tiefsten Frieden hat ein Volksheer seine Daseinsberechtigung. Ruhe und Ordnung, ohne die ein Staat nicht bestehen kann, werden zuweilen gestört. Mit Worten einzuschreiten ist nutzlos; die Regierung muss eine starke Macht hinter sich haben, die die Ruhestörer zur Ruhe zwingt. Diese Macht ist das Militär, ohne welches wir in letzter Zeit vielleicht auch in der Schweiz Revolutionen erlebt hätten.

Der Dienst an sich übt auch seine Wirkungen auf den Soldaten aus; Eigendünkel und Selbstgefallen werden durch ihn gründlich korrigiert; dafür wird der Soldat sich seiner Kraft bewusst, er weiss was er zu leisten vermag und gewinnt Freude daran; die strenge Disziplin lehrt ihn, dass sein eigener Wille sich einem grossen Ganzen, unterordnen muss, und dass er zum Wohle dieses Ganzen, seines Vaterlandes, seine Pflichten peinlichst genau erfüllen muss. So erzieht der Dienst den Soldaten zu einem Manne, der sich bewusst ist, dass sein Wohl weniger wichtig ist als das des Staates, und der deshalb auch ein guter Bürger sein wird.

Wenn wir den guten Willen haben, so können wir aus voller Überzeugung sagen: die Armee ist das beste Mittel, mit dem sich ein Staat nach aussen und innerlich stärken kann. Wir verdanken ihr unsere Selbständigkeit und unsere Ehre, und darum wollen wir sie pflegen und immer weiter ausbauen.

Der Aufsatz wurde mit Note 6 (der besten Note) bewertet.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130-4e-8 (Aufsatz) und ZOA 001/8.025 (Armeeeinheit vor dem Bernina-Hospiz, zwischen 1914 und 1917 (Foto: Franz Vettiger, Uznach))

Donnerstag, 31. August 1916 – Holznutzung in Kriegszeiten, und: Landwirte, pflanzet Nussbäume!

Neben Kohle diente Holz während des Ersten Weltkriegs als Hauptfeuerungsmittel zum Kochen und Heizen. Holz wurde aber beispielsweise auch zur Papierherstellung oder im Baugewerbe in grossem Ausmass verwendet. Schutzinteressen (der Regierungsrat spricht in seinem Kreisschreiben unten von ‚wirklichem Naturschutz und edelstem Heimatschutz‘) und Waldpflege standen vermehrtem Abholzen entgegen.

Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartements des Kts. St.Gallen an die Waldbesitzer und das Forstpersonal betreffend ausserordentliche Holznutzung und Wiederanpflanzung.

Vom 31. August 1916.

Die ausserordentlichen Zeitverhältnisse stellen auch an den Wald fortgesetzt ausserordentliche Forderungen. Um einem allfälligen Holzmangel sowohl wie unerschwinglichen Holzpreisen zu begegnen, ist es unerlässlich, dass dem Bedarf durch Bereitstellung ausreichender Mengen Holz, und zwar Brennholz, wie Papierholz, Bauholz usw., stetsfort genügt wird. Das Forstpersonal wird daher wiederholt angewiesen, bei den erforderlichen Schlaganweisungen bestmögliches Entgegenkommen zu erweisen. Wo es sich um Waldungen handelt, deren jährliches Nutzungsquantum durch Wirtschaftspläne geregelt ist, wird der Regierungsrat von der gesetzlichen Befugnis, ausserordentliche Nutzungen zu bewilligen, – soweit wenigstens schlagreifes Holz in Frage steht, – in dieser Zeit gerne ausgiebigen Gebrauche machen. Indessen ist es wohl selbstverständlich, dass auch bei den derzeitigen vermehrten Nutzungen nach streng forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgegangen werden muss, indem nur schlagreife Holzbestände dem gesteigerten Bedarf geopfert werden sollen.

Wo solches Holz in einer den ordentlichen Abgabesatz übersteigenden Menge vorhanden ist, sollen die betreffenden Waldbesitzer (Orts- oder Korporationsverwaltungen) durch den Bezirksförster die regierungsrätliche Übernutzungsbewilligung nachsuchen und mit dem ausserordentlichen Erlöse allfällige Schulden amortisieren oder besondere forstwirtschaftliche Verbesserungen (wie notwendige Abfuhrwege, Entwässerungen, Aufforstungen usw.) ausführen.

Dass die unverzügliche, forstgerechte Wiederbepflanzung abgeholzter Waldbestände eintreten und der Waldkultur selbst die sorgsamste Pflege zugewendet werden muss, ist wohl für jeden einsichtigen Waldbesitzer eine selbstverständliche Pflicht. Allein nicht bloss der Wiederbepflanzung, die der Erhaltung des bisherigen Waldareals dient, sondern auch der Neuaufforstung zur Waldvermehrung muss überall die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Jegliches Oedland soll, soweit es nicht in Kulturland übergeführt werden kann, mit geeigneten Holzarten bepflanzt und in Wald umgewandelt werden. Dem Forstpersonal erwächst die dankbare Pflicht, nach dieser Richtung noch mehr als bisanhin [sic], initiativ und anregend zu wirken.

Ganz besondere Beachtung verdienen zurzeit aber auch die vielerorts rückständigen Durchforstungen, die einerseits im Interesse des Waldes durchgeführt werden und anderseits noch sehr viel Papier- und Brennholz liefern können.

Ausser dem Wald bedürfen im weitern auch einzelne Baumarten, deren Erhaltung ihres wertvollen Holzes wegen sehr gefährdet ist, so namentlich Nussbäume, aber auch Eichen, Ahorne, Eschen usw. noch eines besonderen Schutzes. Auf derartige Bäume ist in den letzten Jahren eine förmliche Jagd gemacht worden, der leider viele dieser Zierden der Landschaft zum Opfer gefallen sind. Da gilt es nun, durch Neupflanzung von Nussbäumen, wie andern Hochstämmen, die als Nutz- und Schutzbäume dienen können, den Schaden so gut als möglich wieder auszubessern. Jeder Waldbesitzer, wie Bodenbesitzer überhaupt, sollte es sich als Ehrenpflicht anrechnen, auf geeigneten Standorten auch wieder Nussbäume und dergleichen zu pflanzen. Und wenn es sich da oder dort noch um die Erhaltung eines schönen Baumes oder einer Baumgruppe als Naturdenkmal handelt, seien die zuständigen Gemeindebehörden an die gesetzliche Handhabe erinnert, die Art. 702 ZGB und Art. 154/155 EG ihnen bieten.

Es ist eben nicht zu verkennen, dass die Erhaltung und die Vermehrung der Waldungen, wie einzelner Baumtypen, wirklichen Naturschutz und edelsten Heimatschutz bedeutet, der dem Lande zum Nutzen und dem Besitzer überdies zur Ehre gereicht.

St.Gallen, den 31. August 1916.

Für das Volkswirtschafts-Departement des Kantons St.Gallen,

Der Regierungsrat:

Dr. G. Baumgartner.

Briefkopf

Inserat

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Holznutzung und Wiederanpflanzung in Kriegszeiten, erschienen im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 14 vom 1. September 1916, S. 275f.) und ZOA 009/1.067 (Blick von der Alp Sennis oberhalb Berschis Richtung Alvier, abgeholztes Waldstück und einzeln stehender Baum, Aufnahme zwischen 1910 und 1935) sowie ZMH 22/026 (Briefkopf, 1909) und W 248/82 (Anzeige in: St.Galler Bauer, 3. Jg., Heft 44, 04.11.1916, S. 747)