Otto Henne-am Rhyn (1828-1914) ist mit dreissig Amtsjahren (1859-1872 und 1885-1912) der bisher dienstälteste Staatsarchivar des Kantons St.Gallen. Er war ausserdem als Historiker, Journalist und Schriftsteller tätig und bei den Freimaurern aktiv. Am 22. September 1916 schrieben Tochter und Schwiegersohn von Henne an dessen Nachfolger, um offene Fragen bezüglich Hennes Büchernachlass zu klären:
Weiz [Steiermark, Österreich] 22 Sept 1916.
Sehr geehrter Herr Staatsarchivar [Josef Anton Müller-Häni]. –
Auf Ihre geschätzte Anfrage vom 4. ds. teilen wir Ihnen höfl. mit, dass wir tatsächlich an das Antiquariat Oswald Weigel in Leipzig eine Anzahl Werke aus dem Nachlasse unseres Vaters bezw. Schwiegervaters Dr. Henne am Rhyn abgegeben haben.
Weigel behauptete[,] dass der Letztere ihm bei Lebzeiten die ganze Bibliothek dereinst zu überlassen versprochen habe und trotzdem wir ihm mitteilten, dass der allergrösste Teil derselben in der Staatsbibliothek in St.Gallen verblieben sei, schrieb er uns unzählige Briefe mit der immer wiederholten Bitte[,] ihm doch einen Teil der sich in unseren Händen befindenden Bücher zu überlassen, da eine so lebhafte Nachfrage nach der Bibliothek Dr. H. a. Rh’s, besonders von Freunden in Amerika herrsche.
Wir glaubten deshalb im Sinne des l. Toten zu handeln, wenn wir sein Versprechen erfüllen u. überliessen dann schliesslich W. meist Dubletten und andere Bücher[,] die Sie aus dem Verzeichnisse ersehen. Wir sind desh. einigermassen erstaunt, dass er die Bücher nun Ihnen zum Kaufe anbietet. Es wäre wohl einfacher gewesen, die Bücher gleich dem St.Galler Archiv zu schicken, wenn Sie uns s.Z.[,] als wir Ihnen von dem Ansinnen W’s Mitteilung machten[,] gesagt hätten, dass sich das St.G. Archiv für den Ankauf weiterer Bücher aus dem Nachlasse Dr. H. a. Rh. interessiere, wir hätten Ihnen dieselben gerne überlassen. Das lässt sich nun nicht mehr ändern. Wir haben jedoch noch einige Werke zurückbehalten, welche wahrscheinlich für das St.Galler Archiv besonderes Interesse hätte [sic] u. welche wir demselben abtreten würden, falls dasselbe diese Bücher zu erwerben wünscht. Gelegentlich wollen wir eine Zusammenstellung dieser Bücher, Manuskripte u. Broschüren für Sie machen; die Abgabe derselben müsste jedoch bis nach Beendigung dieses schrecklichen Krieges verschoben werden, da gegenwärtig nichts Derartiges über die Grenze gelassen wird. –
Es würde uns interessieren zu welchem Abschlusse Sie mit W. gekommen sind.
Inzwischen begrüssen wir Sie mit vorzüglicher Hochachtung
Rud. Oppler [Ingenieur, Schwiegersohn von Otto Henne-am Rhyn]
Frida Oppler [Tocher von Otto Henne-am Rhyn]
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 021/1.2 (Nachlass Otto Henne) und Q 3/40 (Porträt von Otto Henne)