(Die allgemeine Anrede innerhalb des Blauen Kreuzes lautete „Freund“ oder „Freundin“.)
Protokol[l] der Monatsversammlung[,] abgehalten am 24. Sept. im Lokal Obergasse
Anwesend waren 16 Personen. Presitent [sic] Umland eröffnete die Versammlung mit Lied und Gebet, dann erteilte er das Wort unserm verehrten Redner, Freund Kläger. Der Redner schilderte uns in einem vortrefflichen Referat, wie die Menschen von Gottes Wort abgekommen sind und dadurch die heutige schlechten schweren [sic] Zeit zum grössten Teil selber verschuldet [haben,] denn die Leute waren nicht mehr zufrieden[,] der Arbeiter wie der Reiche. Der Arbeitgeber mochte dem Arbeiter keinen rechten Lohn mehr gönnen, wie er durch jagen und haschen u die Arbeiter zu rascher Arbeit antreiben sein[en] Reichtum vergrösse[r]ten. Aber so sind die Menschen[,] wenn es ihnen schlecht geht[,] so denken sie an den lieben Gott, so bald es Ihnen gut geht[,] vergessen sie Gotteswort. Aber Gott wird sie nicht ungestraft lassen. Denn es heisst an einem Ort[: „]Ich werde euch in die Gefangenschaft führen, und wie viel tausent [sic] sind schon darin. Aber nicht dass sich die Leute bessern, im Gegenteil, Statt [sic] dass Sie [sic] sich demütigen und Bus[s]e tun, treiben Sie ihr Spiel noch ärger[.] Sie wuchern und scharen Geld zu Millionen zusammen und benützen den Krieg[,] sie essen und trinken gut u fröhnen ihre Wohl[l]ust. Und die Frauen schleudern das Geld aus für die Mode[.] Es ist schrecklich zz sehen[,] wie in den Stätten [sic] die Frauen überspannt gekleidet sind. Aber sie werden alle ihren Lohn erhalten[,] denn es steht geschrieben im Jakobus 5 Vers 1 bis 5.
Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird. Euer Reichtum ist verfaulet, eure Kleider sind mottenfrässig worden. Euer Gold und Silber ist ver[r]ostet, und sein Rost wird euch zu Zeugnis sein, und wird euer Fleisch fressen wie ein Feuer. Ihr habt euch Schätze gesammelt in den letz[t]en Tagen. Siehe der Arbeiter Lohn, die euer Land eingeerntet haben, der von euch abgebrochen ist, der schreiet, und das Rufen der Ernter ist kommen vor die Ohren des Herrn Zebaot. Ihr habt wohlgelebet auf Erden, und eure Wohl[l]ust gehabt, und eure Herzen geweidet auf den Schlacht[t]agen. Der Referent schloss sein ernstes Referat[,] indem er uns aufmunterte, nicht zu fürchten[,] der[,] wer als rechter C[h]rist gelebt hat, braucht sich nicht zu fürchten. Nun wurde ein Lied gesungen, dann folgte das Verlesen von Protokols [sic] welche beide angenommen wurde[n]. Der Presitent eröffnete die Diskus[s]ion[,] welche aber nicht stark benutzt wurde, nach einem Schlusslied schloss Freund Kläger die Versammlung mit einem Gebet[.]
Der Presitent Der Aktuar
[Unterschrift fehlt] S. Schau
Staatsarchiv St.Gallen, Wy 091 (Blaues Kreuz, Sektion Altstätten, Monatsversammlung) und ZMA 18/03.08-05 (Ansichtskarte von Altstätten, 1916, Edition Guggenheim & Co., Zürich)