Ferienheim Salomonstempel, 1913

Mittwoch, 6. September 1916 – Damenturnvereine in Hemberg

Das St.Galler Tagblatt berichtete über eine Veranstaltung des vergangenen Sonntags:

Aus dem Toggenburg.

Am Sonntag trafen sich die Damenturnvereine des Kantons St.Gallen auf dem «Salomonstempel» bei Hemberg zu einer gemeinsamen Tagung. Diese nahm nach Mitteilung der Teilnehmerinnen einen sehr schönen Verlauf. Es waren 10 Vereine und 172 Turnerinnen anwesend. Das Lagerleben auf weicher Bergmatte verlieh dem Anlass einen fröhlichen, ungezwungenen Charakter. Der Nachmittag begann mit gemeinsamen Uebungen. Unter der Leitung des Herrn Loser von Ebnat wurden in drei Gruppen Freiübungen ausgeführt, die den lebhaften Beifall des zahlreichen Publikums fanden. Den Gruss des Toggenburgs entbot eine Turnerin aus Ebnat; die Tagesgeschäfte, die rasch erledigt waren, leitete Herr Moser aus Straubenzell. Lieder umrahmten die turnerische Arbeit, Ballspiele schlossen diese ab. Um 3 Uhr zogen die Vereine dem Toggenburg zu. Nach einem gemeinsamen Vesper in Ebnat-Kappel kehrten sie wieder in ihre Heimat zurück. Die nächste Tagung soll auf dem Stoss bei Altstätten gehalten werden.

Der St.Galler Frauenturnverband wurde erst 1922 gegründet. Quellen zu dieser Zusammenkunft auf dem Salomonstempel sind deshalb rar. Im Vorstandsprotokoll des Kantonalturnverbands gibt es dazu nur eine knappe Bemerkung:

Der Damenturnverein Ebnat-Kappel übermittelt das Programm für die am 3. September auf dem Salomonstempel bei Ebnat angesetzte Zusammenkunft der ostschweizerischen Damenturnvereine.

Das Programm hat sich in den Quellen allerdings nicht erhalten, auch Bilder gibt es keine, deshalb nur der Auszug aus dem Protokollband:

Protokollauszug betreffend Damenturnvereinen

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (St.Galler Tagblatt, Nr. 209, 06.09.1916, Morgenblatt, S. 2f.), W 296 (St.Gallischer Kantonalturnverband, Vorstandsprotokoll vom 08.10.1916), und W 276/08.05-01 (Auszug aus Ansichtskarte von A. Lichtensteiger, Dietfurt, 1913)

Mitarbeitende der Metzgerei Hirschen in Wittenbach

Mittwoch, 23. August 1916 – Aktuelles aus dem Bezirk Rorschach und aus Altstätten

Zwei Kurzartikel in der Rorschacher Zeitung dieses Tages berichteten von Ereignissen in Wittenbach:

Wittenbach: Ein Metzgergehülfe der Metzgerei zum «Hirschen», ein verheirateter älterer Mann, stürzte so unglücklich, dass er schwer verletzt vom Platz getragen werden musste. 

Möglicherweise ist der Verunglückte auf dem Bild (Auszug aus einer Postkarte der Metzgerei Hirschen aus dem Jahr 1915) zu sehen.

Wittenbach: Dienstag mittag schlug der Blitz in den Turm der hiesigen Kirche, beschädigte ihn, sowie Dachkennel, Blitzableiter usw. Sämtliche Sicherungen der elektrischen Einrichtung sind geschmolzen. Auch die Starkstromleitung wurde getroffen, so dass verschiedene Motoren ausser Funktion treten mussten. Mehrere Geschäfte (Mosterei, Lorrainstickerei, Schmieden) hatten daher eine Betriebsstörung. Als man dem Platzmonteur telephonieren wollte, ergab es sich, dass auch das Telephon streikte. 

Die Zeitungsausgabe enthält auch amtliche Anzeigen:

Thal.

Griesabgabe.

Vom kant. Volkswirtschaftsdepartemente sind der Gemeinde wiederum 150 Kg. [sic] Hartweizengries zu allgemeinen Kochzwecken zur Verfügung gestellt.

Die Abgabe desselben in Quantitäten von nicht mehr als 1 Kg. pro Familie zum Höchstpreise von 80 Rp. per Kilo erfolgt durch Hrn. Gemeinderatsweibel Lutz, Montag den 28. August 1916, nachmittags 1 ½ Uhr, im Rathaus (Weibelzimmer). Es werden dabei in erster Linie kranke Personen und die weniger bemittelten Kreise berücksichtigt.

Thal, den 22. August 1916.

Die Gemeinderatskanzlei.

Neben Thal verteilte man auch in Rorschach Griess an Bedürftige: 

Rorschach. Griesverkauf.

Der Gemeinderat bringt Donnerstag den 24. August 1916, von nachmittags 2 Uhr an, beim Rathause, 400 Kilogramm Gries, kiloweise zu 80 Rappen pro Kilo zum Verkaufe.

Um möglichst viele Familien berücksichtigen zu können und einen Massenandrang zu verhindern, müssen folgende Bedingungen gestellt werden:

  • Berücksichtigt werden nur Familien mit Kindern unter 6 Jahren.
  • Sollte das Quantum nicht ausreichen, so erhalten jene Familien, die diesmal nicht berücksichtigt werden konnten, das nächste Mal den Vortritt, diesen wird ein bezüglicher Ausweis gegeben.
  • Kranke, die glauben, Anspruch auf Gries zu haben, wollen sich direkt durch ihren Arzt an das kantonale Laboratorium in St.Gallen wenden.
  • Es wird nicht mehr als ein Kilo an jede Familie abgegeben. Sollte noch ein Vorrat bleiben, so wird den Familien mit grosser Kinderzahl die Möglichkeit gegeben, Nachbezüge zu machen.

Rorschach, den 21. August 1916.

Aus Auftrag: Die Gemeinderatskanzlei. 

In Tübach und in Mörschwil stand die Obsternte bevor:

Tübach. Verbot.

Es wird wiederum in Erinnerung gebracht, dass das Auflesen und Herunternehmen von Obst auf fremdem Grund und Boden, ebenso jegliches Beschädigen und Entwenden von Feld- und Gartenfrüchten grundsätzlich verboten ist. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden unnachsichtlich und strenge bestraft. Für bezügliche Vergehungen durch Kinder, werden deren Eltern oder Vormünder verantwortlich gemacht.

Leute, bei welchen berechtigter Verdacht geschöpft werden muss, dass sie sich bezüglicher Entwendungen schuldig gemacht haben, haben eine Hausuntersuchung zu gewärtigen.

Tübach, den 22. August 1916.

Aus Auftrag: Die Gemeinderatskanzlei. 

Mörschwil. Obstfrevel.

Alles Entwenden und unberechtige Auflesen von Feld-, Baum- und Gartenfrüchten ist strengstens untersagt. Uebertretungen werden unnachsichtlich mit aller Strenge bestraft. Für Kinder sind deren Eltern oder Vormünder haftbar.

Mörschwil, den 17. August 1916. Der Gemeinderat. 

Der Sommer war noch nicht vorüber, wie folgende Anzeige belegt:

Gemeinde Rorschach.

Bade-Ordnung für die Mädchen.

Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag:

  • Die Mädchen bis und mit der 5. Klasse 4-5¼ Uhr.
  • Die Mädchen von der 6. Klasse an aufwärts 5¼-6¼ Uhr
  1. Die Mädchen, die keine Schule haben, können auch von 2-4 Uhr bade.

Donnerstag:

  • Die Mädchen bis und mit der 5. Klasse 2-4 Uhr
  • Die Mädchen von der 6. Klasse an aufwärts 4-6 Uhr

Samstag:

  • Die Mädchen der Sekundarschule 2-4 Uhr
  • Die übrigen Mädchen 4-6 Uhr.

Rorschach, den 21. August 1916.

Im Auftrag der gemeinsamen Badekommission:

Der Bauvorstand.

Ausserdem enthielt die Tagesausgabe der Zeitung einen Bericht über den August-Jahrmarkt in Altstätten, der am 21. August abgehalten worden war: Sehr zahlreich aus allen angrenzenden Dörfern der rheintalischen Metropole rückten heute die Marktbesucher ein. Auf dem grossen Marktplatz auf der Breite war des Vormittags ein Gedränge, dass man Mühe hatte, durchzukommen. Das Wetter war aber auch wie gemacht zum Marktbesuche; nicht zum Emden und auch nicht ganz regnerisch, darum für viele geeignet, die stets zügige «Augustkilbi» zu frequentieren.

Verkauft wurde Obst, Gemüse, Vieh (302 Stück Grossvieh, 18 Kälber, 621 Schweine, 47 Ziegen, 16 Schafe, 12 Pferde: total 1016 Stück), Käse und Butter. Ausserdem gab es einen Krammarkt: Dieser entwickelte sich recht ordentlich; die Kauflust war zwar hier nicht so gross, denn es fehlte das nötige Kleingeld hiezu. Dafür haten die Herren Wirte einen guten Tag; gerade zur rechten Zeit schickte Petrus einen ordentliche Sprühregen und im Nu füllten sich die Wirtschaftslokale bis in alle verfügbaren Etagen. Der diesjährige Augustkilbimarkt darf mit Rücksicht auf die gegenwärtige Zeitlage als sehr günstig bezeichnet werden.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913 (Rorschacher Zeitung, , 23.08.1916, Nr. 195) und W 238/02.01-10 (Auszug aus einer Ansichtskarte zur Metzgerei Hirschen in Wittenbach)

Sonntag, 6. August 1916 – Ein Loch im Hosenboden, aber Edelweiss von der Kraialp

Tourenbericht 5./6. August 1916. Wildhauser Schafberg.

Teilnehmer: Tourenchef Herr O. Schweizer, Herren Mantel, Haab, Felber, Velly[,] Siebert.

Heute ist Wandertag, // Heut sind wir frei. // Wir hab’n uns sechs Tag geplagt  // Nun ist’s vorbei. // Drum woll’n wir wandern heut // Über Tal und Höhn // Dass sich das Herz erfreut // An den Bergeshöhn!

Durch die abendliche Dämmerung führte uns der Zug Haag-Gams zu. Wir sind glücklich wie die Kinder, gilt es doch dem Wildhauser Schafberg aufs Haupt zu steigen und dazu das schöne Wetter. Nach einer Rast[,] wo wir uns stärkten, gings unter Stern’übersätem Himmel nach Wildhaus. Ach wie tat uns diese abendliche Kühle so wohl! Bevor wir die staubige Landstrasse verliessen[,] machten wir einen kurzen Halt. Dann gings durch ein stockfinsteres Tobel, über Stock und Stein, wo es manche unfreiwillige Niederlassung gab.

Wer liegt dort an dem Boden, so lang wie er gebor’n. // Ich glaub es ist Freund Max’l den haben wir verlor’n. // Die Beine nach dem Himmel streckt er voll Seelenruh‘ // Und einige kräftige Flüche, die singt er sich dazu. // Ich bin doch nicht besoffen, will auch kein Flieger sein, // Dass ich mit solcher Grazie flieg in dies Loch hinein. // Doch halt, ich will nicht schimpfen und will zufrieden sein, // Denn jetzt fällt mir gerade ein schönes Sprichwort ein: // „Wenn Herz und Aug‘ sich laben, // Muss der Hintere auch was haben.“

Auch unsere Kollegin hat sich wollen das Laufen versüssen, // Und fing an aus Versehen den Boden zu küssen. // Sie glaubte wohl einen Jüngling in den Armen zu haben, // Doch ach, die Knie[,] die mussten die Sühne tragen. // Verschiedene Stückchen Haut sind dabei ab Handen gekommen, // Doch hat’s ihr den Humor deshalb noch nicht genommen.

Von der Teselalp ging es auf gut angelegtem Weg nach dem Schafboden, wo wir den Tag abwarteten. Trotz der frühen Morgenstunde wurden wir vom Senn freundlich aufgenommen und zum Bleiben aufgefordert, was wir gerne annahmen, denn zum draussen sitzen war es empfindlich kühl. Nun gings ans Kochen.

Da gabs verschiedenes[:] Suppe und Thee [sic], // Milch auch und Cacao wie im Wiener-Cafe // Der Senn unterm Dach da ob’n schaut voll Sehnsucht herab // Was doch so ein Stadtmagen nicht alles verdauen mag. // Er raucht sich ne Pfeife an und denkt sich dann still // Hier Magen hast auch was, was ein Stadtmagen nicht will.

Noch ehe das Morgenessen recht vertilgt, welchem wir tüchtig zusprachen, fing es an zu dämmern und wir rüsteten uns zum Aufbruch, was freilich etwas mühsam ging, denn der Schlaf zeigte sich, doch der verflog bald wieder. War das ein Erstehe [sic]; um uns tiefe Stille nur hie und da unterbrochen von dem friedlichen Geläute der Herdenglocken und über uns diesen wolkenlos blauen Himmel. Wir sind noch keine Stunde gestiegen als die Sonne die weissen Häupter der Bergriesen rosa färbte; wir konnten uns kaum trennen von diesen [sic] Bilde. Zuerst gings über Matten, die mit Felsbordchen [-bördchen] abwechselten, bis wir zu Schnee kamen. Jetzt heisst’s aufpassen, denn er ist hart gefroren. Anfangs gings ganz gut, bis wir zum obersten grossen Schneefeld kamen.

Hier glitschte nun Freund Felber mit einem Fusse aus, // Und rutschte immer weiter, ich glaub, er rutscht nach Haus. // Und unten angekommen oh Graus, oh welcher Schreck, // Es riss ihm aus Versehen, den Hosenboden weg. // Als er sich dann betastet die Hose zwanzigmal // Sagt er dann ganz bedächtig „es ischt bim eid“ [Es ist beim Eid] fatal // So komm jetzt Freu[n]der’l wir haben keine Zeit // Wenn dich auch die Sonne heut von der andern Seit‘ bescheint. // Er denkt sich dann im Stillen als er so vorwärts geht // S’ist hässlich eingerichtet, dass bei den Rosen gleich die Dorne steht.

Da die Schneeverhältnisse ungünstig waren, konnten wir den Weg durchs Kamin nicht benützen, dafür aber gings in schöner Kletterei auf den Gipfel wo wir um ½8 heur [sic] landeten. War das eine Pracht, der ganze Alpstein lag vor uns, doch wir wandten uns schnell den überzuckerten Bergriesen zu. Von den Österreichischen bis weit in die Berneralpen lag jeder Gipfel in solcher Klarheit vor uns wie man sie selten zu sehen bekommt.

O Höhenluft O Gipfelzauber wie seid ihr eng vereint. // Wenn Euch in früher Morgenstund die Sonnen‘ so schön bescheint // Dann jauchzt das Herz voll selger Wonne // Erwärmet von der Morgensonne!

Dort hinauf ins Reich der 4 Tausender ist unser sehnsüchtiges Verlangen. Wir konnten uns kaum trennen von diesem Bilde. Doch der Magen ruft, und will auch zu seinem Rechte kommen.

Wurst, Käse, Butterbrot und Musik dazu // Eine Cigarette noch und dann ein bis[s]chen Ruh! // So Freund Felber nun heran, Ruft unser kleines Bäschen. // Jetzt fangen wir zu flicken an // An deinen Sonntagshöschen! // Bedächtig legt er sich dann hin, wie wenn er sich genierte // Mit Schere, Nadel und mit Zwirn // Üsers Bäsli operierte.

Gruppe 

Dritte von rechts ist vermutlich Nelly Siebert, das „Bäschen“ oder „Bäsli“ im Bericht, welches dem Kameraden die Hose flickte und möglicherweise die Illustrationen (s. unten und im Titel) im Tourenbuch zeichnete. Dass sie für die Wandertouren praktische Hosen trug, war zur damaligen Zeit sehr aussergewöhnlich. Wenn sich Frauen überhaupt auf solche Unternehmungen einliessen, trugen sie in aller Regel Röcke. (Foto: O. Schweizer)

Lieber Felber nimm dich in acht, // Sonst deine Haut mit der Nadel Bekanntschaft macht. // Mit weiss und schwarzem Faden ist nun die Hose geflickt // Mit einem schweren Seufzer er sich bedächtig bückt. // Jetz[t] kann ich wieder klettern in aller Seelenruh, // In meinen Sonntagshosen ist das Loch jetzt wieder zu.

Nuns gabs noch eine photographische Aufnahme von unserm Freunde Schweizer. Das waren schöne schnellzerfliessende Stunden, die Gipfelrast auf dem Schafberg, so allein, wo es auf dem Säntis und Altmann von Menschen wimmelte wie auf einem Ameisenhaufen. Nur zu schnell mahnte unser Führer zum Aufbruch, wollten wir doch noch nach der Krajalp um nach Edelweiss zu sehen es fiel zwar etwas mager aus, doch es bleibt immer ein Andenken an die unvergessliche Tour. Nach dem die Blumen verpackt gings im Schnellschritt nach der Teselalp wo wir zu Mittag assen.

Im Essen ist Freund Mantel, // der beste Hochtourist, // Auf seiner Mittagstafel, man stehts [sic] was Feines isst. // Braten, Nudeln, Suppe, alles gibt es da, // Zuletzt noch kalte Erdbeer’n, der hat Geschmack, ja, ja. // Au üsers Bäsli hät säb g’merkt, si macht si i sini Nöchi // „I bi bim Klettere din Gschpane gsi, Drum will en au bim Esse si.“

Vor lauter Essen ist Freund Mantel ich glaub im Hirn defekt // Weil er in seiner Aufregung, die Uhr in Brunnen steckt. // Da gabs ein Schimpfen und ein Schelten, obwohl er selber schuld // Die Uhr ihm jetzt die Sonne trocknet, sie zeigt ihm seine Huld.

Nach 1½ stündiger Rast gings den gleichen Weg zurück nach Wildhaus und Haag-Gams.

Dass Haab ganz gerne Tango tanzt, das habe ich gewusst // Dass er es auch auf Eiern kann, das war mir unbewusst. // Er tänzelte die Landstrass‘ hin, als wie ein zahmer Hahn, // Doch ach, auch unser Felber fing, gar bald zu tanzen an. // Auch Mantel hat an einem Bein, ‘ne Blase ziemlich gross, // Doch s’Eiertanzen hat bim aid [beim Eid] er doch no lang nit los!

Karl Mantel                                                                                    Nelly Siebert.

Berg frei!

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 285/2.06.1-1 (Touristenverein Naturfreunde St.Gallen (TNV), Sektion St.Gallen, Tourenbericht) und W 285/2.06.1-2 (Gruppenbild)

Postkarte zum Velorennen 1901

Donnerstag, 3. August 1916 – Ferienkolonien, Velorennen und der Zirkus Knie

Vermischte Meldungen im Stadtanzeiger von St.Gallen:

Kanton St.Gallen.

Hemberg beherbergt zurzeit nicht weniger als vier Ferienkolonien; fröhliches Singen und Kinderjubel ertönt überall.

St.Galler an ausserkantonalen Schulen. Laut einer Zusammenstellung des «Fürstenl.» [Fürstenländers] zählt das Gymnasium Einsiedeln 79 St.Galler, dasjenige in Schwyz 54, Appenzell 71, Sarnen 23, Stans 65, Engelberg 49 und Altdorf 5. Im ganzen besuchen also 346 St.Galler auswärtige Gymnasien.

 

Stadt und Umgebung.

Arena Knie.

(Eing.) Seit dem letzten Besuch dieser altbekannten und beliebten Künstlerfamilie sind nun schon mehrere Jahre verflossen. Dieser Tage ist sie nun wieder hier angekommen und hat auf dem Tonhalleplatz sich niedergelassen. Der Name Knie hat schon lange einen guten Klang in der Artistenwelt und bei deren Freunden, hat doch Friedrich Knie schon im Jahr 1787 zu Innsbruck die Gesellschaft Knie gegründet, die in der folge eine Art Künstlerdynastie wurde. Die jetzigen Mitglieder der Gesellschaft zehren aber nicht bloss vom Ruhm der Vorfahren, sondern sie bemühen sich eifrig, immer etwas Neues und Ausserordentliches auf dem Gebiet der Gymnastik und Equilibristik vorzuführen. Diesmal erscheint die Familie Knie mit einer ganz neuen Aufmachung und begleitet von einer grossen Künstlerschar.

Anzeige für Zirkusvorstellung Knie

Der Täter ermittelt.

(Amtliche Mitteilung.) Zur Beruhigung des Publikums sei mitgeteilt, dass der Täter jenes Ueberfalls im Paradiesquartier von vergangener Woche in der Person eines 21jährigen Burschen ermittelt worden ist; derselbe ist geständig. Schundliteratur dürfte den Burschen auf die schiefe Ebene gebracht haben. Wiederum eine Warnung, auf die Lektüre der Jugend zu achten.

Eine Distanzfahrt Zürich-St.Gallen

(80 Kilometer) veranstaltet der Schweiz. Radfahrerbund Sonntag den 20. August 1916. Berechtigt zur Teilnahme an derselben haben in Kategorie A: Schweizer Militärs auf schweizerischen Militärfahrrädern; in Kategorie B: Wertpreisfahrer auf beliebigem Tretrad. Die Strecke führt von Zürich (Walcheplatz) nach Winterthur, Wil, Oberuzwil, Flawil, Gossau, St.Gallen. Das Ziel befindet sich beim Restaurant «Burgeck» an der Fürstenlandstrasse.

An ersten Preisen winken den Siegern in Kategorie A: 1. Ein Tourenrad im Werte von Fr. 250, Ehrenpreis der Firma B. Schild und Cie., Fahrradwerke in Madretsch-Biel, ferner Vermeilmedaille [sic] und Diplom; 2. Silberner Bundesbecher im Werte von Fr. 50; 3. Silberne S.K.B.-Armbanduhr im Werte von Fr. 40. In Kategorie B: 1. Gossse silberne S.K.B.-Plakette im Werte von Fr. 80; 2. silberner Bundesbecher im Werte von Fr. 50 ec. Ferner erhält in beiden Kategorien ein Viertel der Startenden Kränze.

Die Bundesfeier in Bruggen

wird uns von anderer Seite noch gemeldet: Wie üblich, fand die Bundesfeier auf der Schulwiese in Bruggen statt. Schon vor der festgesetzten Zeit hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden. Durch ein Vaterlandslied eröffnete die Musik zur festgesetzten Zeit die Veranstaltung; abwechselnd produzierten sich Männerchor, Turnverein und Töchterchor. Oin patriotischer Rede liess Herr Gemeindammann Rüesch die Schreckensbilder de sKriegs und di edaraus für unser Vaterland isch ergebenden unangenehmen Folgen im Geiste vorüberziehen, jeden Bürger an den Ernst der Lage ermahnend und darnach die Aufforderung knüpfend, zum Vaterland zu stehen in diesen Tagen der Gefahr, und durch einträchtiges Zusammenwirken das Wohl desselben zu fördern. Nach dem Vortrag einiger Vaterlandslieder durch die Chöre folgte man der Einladung zum Gartenkonzert nach Stocken. Herr Müggler, Kaufmann, entbot den Anwesenden im Namen der Vereine den Willkommgruss, verbunden mit dem Hinweis auf die Tatsache, dass die gegenwärtige allgemeine wirtschaftliche und finanzielle Lage wohl kaum dazu angetan sei, Feste zu feiern. Die Vereine rechnen es sich jedoch zur Ehre an, dem Publikum durch einige Vorträge von Vaterlandsliedern am Geburtstag unseres Vaterlandes dienen zu können. Die Ausführung hat ihm recht gegeben. Männerchor, Musikgesellschaft und Töchterchor überboten sich im Wetteifer um das Beste.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 903 (St.Galler Stadt-Anzeiger, Nr. 180, 03.08.1916, Text, sowie Anzeige Zirkus Knie in der Ausgabe vom 05.08.1916) und W 238/09.04-18 (Ansichtskarte, Verlag: B. Gerschwiler, Papeterie, Flawil, No. 681)

Mittwoch, 26. Juli 1916 – „[…] es sei nur ein wenig Neurasthenie, und da sei der Dienst ausge-zeichnet.“: Der Psychiater muss ins Militär

Die Frau des Psychiaters und Kunstmalers Franz Beda Riklin (1878-1938) befand sich mit den Kindern in den Ferien auf dem Kühboden bei Unterwasser im Toggenburg. Riklin sollte nachfolgen, wurde aber trotz ärztlichem Dispens in den Militärdienst ins Engadin aufgeboten. Er schrieb seiner Frau:

Küsnacht, 26.VII.16

Allerliebste Frau!

Endlich habe ich das Gutachten auch fertig. Hingegen sind Schwierigkeiten mit dem Militär da. Der Divisionsarzt meinte, es sei nur ein wenig Neurasthenie [neurotische Störung, nervöse Erschöpfung] u. da sei der Dienst ausgezeichnet. (Das Zeugnis von Dr[.] Keller sagte nichts derartiges[.]) Ich habe mich nun kräftig dahinter gesetzt, mit Dr. Keller gesprochen (es ist über alles hinaus ein lautes Geräusch zu hören), telegraphi[e]rt, u. vorgeschlagen, den Div-arzt [Divisionsarzt] persönlich zu sehen, da er ein ganz falsches Bild habe. Ich kann mir das nicht gefallen lassen. So reise ich morgen od. übermorgen ins Engadin; es geht gerade mit Benützung des ersten u. letzten Zuges. Den Zweck werde ich schon erreichen, aber ich bin „wild“ über die Umstände.

Jak. Schaffner möchte uns im Sept. mit seiner neuen Frau besuchen. Ich habe gesagt ja. Und Morbage [?] hat noch gedankt u. geschrieben, es sei vor Verdun passiert.

Der Schweizer Schriftsteller Jakob Schaffner (1875-1944) war ursprünglich Schuhmacher. Er lebte ab 1911 in Deutschland. 1916 verheiratete er sich in zweiter Ehe mit der deutschen Staatsbürgerin Julia Cuno. Später hegte er offen Sympathien für die Nationalsozialisten, ohne aber Parteimitglied zu werden. 1940 trat er der frontistischen Nationalen Bewegung der Schweiz bei.

Franz Beda Riklin fährt in seinem Brief fort:

Die Militärgeschichte hat mich ein wenig aus der Ruhe gebracht, d.h. nimmt einem [sic] mehr in Anspruch, als sie es verdient.

Hier fängts bei dem guten Wetter an schön zu werden. Die Blumen, die frühen wie die späten, blühen jetzt fast alle miteinander; Du wirst aber das Meiste noch sehen. Dahlien, die allerersten Winterastern u.s.f. kommen auch schon; ebenso die Stockrosen u. die Phlox. Schade, dass Du nicht mit mir im Garten bist. Das Bild ist obendurch beinahe fertig; das waren die schwierigern Partien; man sollte jetzt dran arbeiten können an einem Stück. Ist das Papier gut angekommen?

Ich bin etwas müde u. froh, endlich etwas aus der Arbeit zu kommen. Es war doch ziemlich viel Unruhe u. Sorge; jetzt muss ich alles ein wenig loslassen. Ich freue mich ungemein, wieder mit Dir zu sein; denn hier habe ich z.Z. kein Bein u. wandle auch völlig einsam. Ich habe ein kleines chinesisches Bändchen von Frl. Leutert bekommen, ähnlich Lao-Tse, aber mehr in Form von Gleichnissen u. Geschichten. Aber ich mag wenig lesen, und möchte lieber im Schauen aufgehen.

Herzlichste Grüsse von Deinem treuen

Franz

Und viel[e] Grüsse an die Kinder.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Brief) und ZOA 001/8.057 (Soldaten im Engadin im Ersten Weltkrieg. Sie versuchen, ein reiterloses Pferd über ein Hindernis zu scheuchen. Im Hintergrund ist Samedan zu sehen.)

Sonntag, 23. Juli 1916 – Nieder mit dem Militarismus

Aus dem Tourenbuch der Jugendsektion des Touristenvereins Naturfreunde St.Gallen (TNV):

Sonntag, den 23. Juli 1916 wurden nach grösster Mühe endlich 10 Mitglieder zusammengebracht. Sammlung war auf ½ 8 Uhr morgens angelegt. Nach langem Zaudern, wer wohl das Kochgeschirr zuerst tragen müsse, gelang man endlich zum Abmarsch. Auf dem Bahnhof angelangt, wurde man von den Arbonern begrüsst, welche soeben vom Zuge kamen. Jeder kaufte sich noch etwas „Krämeligs“. Dann ging’s an’s Einsteigen. Im Bahnwagen ging es verflixt gemütlich zu. Die Handorgel, Dryangel und Trommeln wurden sofort in Funktion gesetzt und bald hatte man auch schon Maulaffen feil. Es war ein Glück, dass der Zug bald aus der Halle dampfte. Abwechselnd wurde gesungen. Ein kleines Geräusch wurde im Wagen verführt, das ziemlich an Grampol grenzte und doch war es halt durchaus kreuzfidel. Nur zu geschwind schrie der Zugführer: „Gossau“. Auf der Strasse wurde sofort aufgestellt[,] und in strengster Ordnung ging es durch Gossau und auf der Niederwielerstrasse [sic] weiter. Voran schritten die Tambouren, dann das Banner der Sekt. Arbon. Wichtig stolzierte dann die Sektion St.Gallen daher, dann reihten sich die Arboner, welche 29 an der Zahl beisammen hatten. Es dauerte nun nicht lange fort, als der Eine oder andere einen grässlichen Hunger oder Durst oder beides zusammen verspürte. Man sah es daher für genötigt[,] einen Halt zu machen. Nachdem der grösste Kohldampf gestillt und auch eine derbe Zahl Nussgipfel verschlungen waren, zog man weiter, bei Niederwil vorbei, bis zum nächsten Wegweiser, dort wollte der Eine nach links der Andere nach rechts und der Letzte gar nicht mehr weiter. Nach langen Unterredungen gelang man doch zum Entschluss, nach links zu gehen. Der Uzwilerfritze hingegen brummte immer noch etwas zu hinterst, von „einer simpeleinfältigen Abkürzung, Pappenheimer etc. etc.[“] Er trug nämlich einen Wäschekorb am Stock, worauf gemalt war: „Sozialisten auf der Reise“. Er sah überhaupt aus, wie ein richtiger Kunde [Landstreicher]. In der rechten Rocktasche schimmerte noch etwas von einer Bierflasche „Pardon“ Syroupflasche [Sirupflasche] hervor, was seinem Ae[u]ssern einen richtigen Aufputz gab. Bereits hatten wir die Kollone [sic] wieder in Reih und Glied eingestellt, als man plötzlich eine Ration rote Zipfelmützen am Strassenhorizonte auftauchen sah. Es waren einige Uzwilergenossen, die uns entgegeneilten. Im Nu waren sie bei uns und nach kurzem Händeschütteln und Servusrufen ging es weiter, bei Oberbüren vorbei nach Niederuzwil. Die Sonne schien schon lange ganz tüchtig heiss und hie und da meinte einer „Viel Afrika“. Endlich gelangten wir auf den Rastplatz. Sofort wurde eine kräftige Suppe gebraut[,] die schon um ½ 1 Uhr schnabuliert werden konnte. Es schmeckte herrlich. Auch Gen. Knecht, der mit dem Zug gekommen war, erwischte noch einen Löffel voll. Nachdem ein Kessel Tee auf’s Feuer gesetzt wurde, ging’s an’s Gesichter verewigen. Nachher wurde zum Umzug aufgestellt. Der Umzug dauerte über eine Stunde. Daran beteiligten sich die Sekt. Arbon, Uzwil, St.Gallen, Frauenfeld, Wil, Rapperswil & Winterthur. Nachher referierte Gen. Mimicola [?] im „Schweizerhof“ über Militarismus. Um 5 Uhr war das Referat beendigt und der Tee mundete jetzt auch ganz vortrefflich. Doch bald wurde zur Heimkehr gemahnt. Die Arboner kehrten per Bahn heimwärts. Einige Uzwiler begleiteten uns noch ein Stück Weges. Beim Botsberg gab es einen Ansturm auf einen prächtigen Rosenstock. Ein Radfahrer, der sich ungemein hervor tun wollte, verlor dabei einen Sack Stachelbeeren und fuhr wie ein rasender [sic] davon, als man ihm nach rief. Das war für ein Festessen, die Beeren wurden sofort verteilt. Unser Fritze war wieder das gemütlichste Huhn, er kaufte für uns ein mächtiges Zapfenbrot und verteilte es dann am Bahnhof redlich unter uns. Wie gafften nicht die Neugierigen, wie wir das trockene Brot vertillgten [sic]. Der Zug[,] in den wir in Gossau hätten einsteigen sollen, sauste jetzt an uns vorüber. Das war das Zeichen zum Weitermarsch. Unter fortwährendem Gesange ging es bei Oberglatt vorbei nach Gossau, wo wir dann noch einen kurzen Galopp machen mussten, denn eben fuhr der Zug im Bahnhof ein. Noch rechtzeitig erhaschten wir den Zug, was für uns ein grosses Glück war. Im Bahnwagen ging’s noch recht gemütlich zu und her, bis wir in St.Gallen einfuhren. Sofortige Verabschiedung. Ankunft auf dem Bahnhof St.Gallen ½ 10 Uhr.

Willi Hofer

Die Naturfreunde gehörten der Abstinenzbewegung an, sie tranken keinen Alkohol, deshalb der Hinweis auf die Sirupflasche.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 285/2.11.1-1 (Tourenbuch) und W 285/2.11.1-1-2.39 (Naturfreunde verschiedener Sektionen mit einem Banner «Nieder mit dem Militarismus» am Umzug in Niederuzwil)

Donnerstag, 20. Juli 1916 – „Liebster Schatz!“: Artischocken im Toggenburg

Franz Beda Riklin (1878-1938) war nicht nur Psychiater, sondern auch ein begabter Kunstmaler. Er nahm Unterricht bei seinem Freund, Augusto Giacometti (1877-1947). Riklins Frau weilte im Juli 1916 mit den Kindern im Ferienhaus der Familie auf dem Kühboden bei Unterwasser im Toggenburg. Die im Brief erwähnte Holländerin Maria Moltzer (1874-1944) war Psychoanalytikerin. Sie liess sich zunächst bei Carl Gustav Jung, später bei Franz Beda Riklin ausbilden. Ab 1913 führte sie in Zürich eine eigene Praxis. Der ungarische Tänzer Rudolf von Laban (1879-1958) war Gründer und Leiter einer Schule für Bewegungskunst in Zürich.

Küsnacht, Montag, 20 Juli 1916

Liebster Schatz!

Also mit den Bodmern ist nichts. Von Dir ist bis jetzt noch nichts hiehergelangt, aber ich nehme inzwischen an, es sei alles wohl. Heute male ich wieder. Gestern mittag war ich also bei M. Moltzer; wir haben ganz interessante Fragen durchgenommen. Ich erzähle Dir am Sonntag davon. Augusto [Giacometti, Kunstmaler, 1877-1947] war besetzt; hingegen telephonierten abends Siggs, u. ich dachte, ich gehe; ich nehme Dir gewissermassen einen Gang ab. Es war wie es ist: Ich musste viele Zeichnereien u. Malereien von Frau Sigg ansehen; sie hat Sehnsucht nach den Farben. Mir scheint, sie geht den umständlichen Weg eines Setzgrinds: denn es ist auch ein Weg des Erlebens u. Erfahrens, um einen gewissen Grad von Selbständigkeit zu erlangen; u. so wird noch das Beste draus, darum hat sie Augusto instinctiv richtig behandelt, als er sie zu den Zeichnern schickte. Es scheint nur, dass sie der freimütigen Anerkennung von dem, was ihr wirklich den grossen Eindruck macht, nicht fähig ist; es würde sie zu sehr aus der Ruhe bringen. Frau Scherrer war dort; sie wird einmal kommen u. tanzen. Sie machte einen merkwürdig ordentlichen und bescheidenen Eindruck. Sie hatte eine komische Erfahrung: Wenn Sie für sich das Beste tanzte, verdiente sie nicht, u. wenn sie sich, mit Laban in Verbindung, um’s Stundengeben kümmerte u. sich den andern u. den Bedürfnissen anpasste, so revolti[e]rte ihr Inneres. Bis sie nach einer neuntägigen völligen Tanzabstinenz, die sehr schmerzlich war, weil alles unwillkürliche Tanzen eingeschränkt war, sich vor einer Lösung fand: Es organisi[e]rten sich zwei verschiedene Funktionen des Tanzens: Eine, wo ihr Bestes ist; das dürfe sie nur wenigen guten Freunden zeigen, wo sie Verständnis dafür erwarten dürfe. Eine andere Funktion ist die, welche mit den Vielen[,] den Andersbedürftigen, zusammenkommt, wo man sich um deren Bedürfnisse kümmert; das ergibt eine Anpassung an die andern; es braucht nicht viel, wenn man sich nur mit ihren Nöten auskennt.

Deine Karte hat mich etwas erschreckt; Du scheinst da droben zusehr [sic] zu leiden. Habe noch ein klein wenig Geduld; lass die Kühbodener feindlich sein. Ich komme bald auch in die Ferien, u. da können wir reden. Es sind auf der Alp eine Menge Eindrücke u. Bilder auf mich eingestürmt, u. es gibt mir viel, hauptsächlich auch Abklärungen über meine Arbeit u. Zukunft. Der dritte Ort scheint sehr plausibel; er ist ein Hülfsmittel. Aber eben, man muss dann alles dransetzen, um zu verkaufen.

Eben kommt Dein Brief; ich danke vielmal dafür u. werde Dir gleich darüber antworten. Aber jetzt muss ich machen, dass der fortkommt. Guten Ap[p]etit zu den Artischoken [sic]. Und herzliche Grüsse u. Küsse

Dein treuer           Franz.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Brief) und W 283/1-00167 (Kühboden bei Unterwasser, wo Franz Beda Riklin mit seiner Familie regelmässig Ferien verbrachte; Bild: Foto Gross, 1924)

Mittwoch, 19. Juli 1916 – Kostenlose Zeitungen für Soldatenstuben

Auszug aus dem Protokoll der Betriebskommission der Buchdruckerei „Ostschweiz AG St.Gallen“:

[…]

4. Vorlage des von der Buchhaltung verlangten Verzeichnisses über die Abonnenten mit Freiexemplaren. Im ganzen werden derzeit 253 Freiexemplare, incl. Tauschblätter, verabfolgt, dazu kommen 68 für die Soldatenstuben. Da es Vereine gibt, die 2-3 Freiexemplare beziehen, wird grundsätzlich beschlossen, an ein und dieselbe Vereinigung nur ein Exemplar gratis abzugeben. […]

5. Nachdem die Buchdruckerei Zollikofer für die Erstellung des reg.rätl. Amtsberichtes eine Teuerungszulage von fr. 200.– verlangt und die Ostschweiz für den Amtsblattdruck eine solche von zirka fr. 2200.– fordert, glaubt der Regierungsrat, in unserer Eingabe eine Ueberforderung erblicken zu müssen. Demselben wir durch eine Ergänzungsschrift mitgeteilt, dass die Arbeiten des Amtsberichts mit denjenigen des Amtsblattes in gar keinem Vergleichsverhältnis stehen und unsere Verlangen mit 12% ganz bescheidene, und sogar unter den absolut notwendigen Forderungen seien. Es wird dem Regierungsrat der Vorschlag unterbreitet, unsere Eingabe einer fachmännischen Ueberprüfung zu unterstellen, im Bewusstsein, dass letztere eher zu einer höhern statt niederen Zulage kommen müssen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Protokoll) und W 132/1-039 (Soldatenstube des Geb Sch Bat 8 (Gebirgs Schützen Bataillon 8) auf dem Umbrailpass, 1915)

Samstag, 15. Juli 1916 – Das Jugendturnen gibt zu reden

Auszug aus dem Protokoll des Kantonalturnverbands St.Gallen, dessen Vorstand im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen tagte:

[…]

VI. Festliche Anlässe.

[…]

c) Am Kantonalen Schwingertag vom 2. Juli a.c. in Rorschach hat als Vertreter des Vorstandes Kessler andemselben [sic] teilgenommen. Derselbe, sowie der Vorsitzende schildern die Arbeit als durchweg gut; ebenso wird auf die vorzügliche Organisation und die dem Turner- und Schwingerwesen in Rorschach durchaus sympathische Haltung der Gemeindebehörden und der Spitzen der Bürgerschaft hingewiesen.

[…]

IX. Weiterer Verkehr mit Behörden, Volk u. Presse.

b) Tobler erstattet einen Zwischenbericht über das Jugendturnen. […] Für diese [gemeint sind Jugendriegen für 12-14jährige Knaben] wäre ein regelmässiger Besuch Bedingung; die Übungen sind möglichst früh anzusetzen. Der Besuch soll mit Wissen und Willen der Eltern geschehen, wie überhaupt [auf] eine Verbindung mit diesen zu achten ist.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Protokoll) und W 238/10.00-06 (Ausschnitt einer Ansichtskarte des 1886 gegründeten Kantonsschulturnvereins, ca. 1905)

Sonntag, 9. Juli 1916 – Der Arbei-tersekretär in den Ferien (Teil 6): Er besucht die Messe in Flüeli und gründet einen Arbeiterinnen-verein

Josef Scherrer befand sich immer noch in Flüeli in der Innerschweiz, wo er zusammen mit einem Kollegen einige Tage Ferien verbrachte.

Er notierte sich im Tagebuch:

Morgens gehe ich in der Kapelle zum Flüeli zum Gottesdienst.

In dem Gebäude denke ich an meine Gattin und meine Kinder. Möge Gottes Segen ihnen walten.

Bremgarten. Katholische Arbeiterinnen. 1. Gründung.

Ich gründe mit 15 Arbeiterinnen den Arbeiterinnenverein, indem die Arbeitslosenkasse sofort obligatorisch erklärt wird.

Auch der Kirchen- und Porträtmaler Franz Vettiger (1846-1917) aus Uznach befasste sich mit Niklaus von Flüe (vgl. Beitragsbild). In einem ca. 1917 entstandenen Seitenaltargemälde für die Wallfahrtskapelle Mariä Heimsuchung in Freienbach (Gemeinde Oberriet SG) ist der Heilige mit einer Christusvision zu sehen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch) und ZOA 001/6.425 (Altargemälde)