Mittwoch, 20. September 1916 – Nochmals die Kartoffelfrage

Ansichtskarten, auf denen Ortschaften abgebildet sind, zeigen oft besonders wichtige Gebäude in einer Detailansicht. Neben Kirchen, Schulhäusern und Restaurants findet man darauf häufig auch die Gebäude der ortsansässigen Konsumvereine. Diese, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Genossenschaftsbewegung entstandenen Organisationen, bildeten während der Kriegsjahre wichtige Bezugsstellen für Güter des täglichen Bedarfs.

Im Kanton St.Gallen bestand von 1902 bis 1970 die Konsumgenossenschaft Konkordia. Sie war von christlichsozialen Kreisen ins Leben gerufen worden. 1909 schlossen sich landesweit verschiedene Konsumgenossenschaften zu einem gesamtschweizerischen Verband Konkordia zusammen.

Auszug aus einem Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons St.Gallen betreffend die Kartoffelversorgung:

[…]

Von besonderer Wichtigkeit und Dringlichkeit ist es nun aber, allenthalben dafür besorgt zu sein, dass die kantonale Ernte möglichst gleichmässig und rationell verteilt werde und dass die Versorgung der verschiedenen Kantonsgebiete und Bevölkerungsteile mit Kartoffeln zu mässigem Preise eine möglichst vollständige sei. Eine Grosszahl rheintalischer Gemeinden wird in der Lage sein, auch nachdem bedauerlicherweise eine denkbar ungünstige Witterung die Erträge wesentlich beeinträchtigt hat, noch ein ansehnliches Quantum Kartoffeln in vorwiegend konsumierende Gemeinden, wie auch dorthin, wo eine eigene genügende Versorgung der natürlichen Verhältnisse wegen nicht denkbar ist, abzuschieben. Die erwünschte Ausgleichung in den verschiedenen Kantonsgebieten kann aber unter den momentanen Verhältnissen, bei denen trotz der erlassenen Höchstpreise eine ziemlich starke Konkurrenz im Kartoffelankauf kaum abzuwenden sein wird, nur mittelst einer einheitlichen, den Kartoffelhandel einigermassen überblickenden Organisation erzielt werden.

Der kantonale Genossenschaftsverband hat sich denn auch in anerkennenswerter Weise bereitfinden lassen, im Auftrage des Departementes als zentrale Vermittlungsstelle für die kantonale Kartoffelversorgung zu funktionieren, indem er einerseits seine Sektionen zur sofortigen Anhandnahme des Kartoffelaufkaufes für Rechnung des Verbandes in ihrem lokalen Gebiete aufgefordert hat und derweise [sic] das Kartoffelangebot in bestmöglicher Weise konzentriert und anderseits die Deckung des Bedarfs der Gemeinden nach unseren Weisungen bestmöglich besorgt.

Wir richten daher an die Gemeindebehörden den dringenden Appell, ungesäumt für eine angemessene Bedarfsdeckung an Kartoffeln besorgt zu sein. Da und dort wird die direkte Versorgung durch die lokale Produktion genügen und der Kartoffelankauf seitens der Gemeinden innerhalb ihres Gebietes zum Zwecke der Abgabe an die lokale Bevölkerung ohne Inanspruchnahme einer weitern Kartoffelzufuhr von auswärts durchgeführt werden können. Soweit nun aber eine eigene Versorgung aus der Gemeinde nicht hinreichen kann, sind die Gemeindebehörden eingeladen, sich der zur Ausgleichung der Kartoffelversorgung geschaffenen Zentralstelle zu bedienen und uns in tunlichster Bälde ihre Bestellungen einzugeben. Den Gemeinden dürfte hierbei empfohlen werden, einmal einen allgemeinen Kartoffelverkauf zum Selbstkostenpreis zu veranstalten und überdies die Anlegung eines gewissen Lagervorrates ins Auge zu fassen zur gelegentlichen Abgabe zu billigem Preise an die gezwungenerweise nur in kleinen Quantitäten allmählich sich versorgenden bedürftigen Bevölkerungskreise.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 11 vom 22. September 1916, S. 359-361) und W 238/06.10-08 (Ansichtskarte von Jona mit Detailbild des Konsumvereins, 1916)

 

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