Briefauszug

Donnerstag, 29. November 1917 – Jungmännerkorrespondenz: Einsichten

Werner Kuhn, ein Schulfreund von Ernst Kind, schreibt in einem Brief:

Wallisellen, 29. Nov. 17.

Mein Lieber!

Unsere Korrespondenz, von der man sich allgemein so viel versprochen hatte, die ist denn bis jetzt doch ein wenig mager ausgefallen! Was treibst Du eigentlich? Die Rekrutenschule wird wohl bald zu Ende sein. Bist Du eigentlich immer im scharfen Arrest gewesen, dass Du mir nie mehr ein Wort geschrieben hast? Nun, das glaube ich nicht; aber vielleicht hast Du den ganzen Abend so eifrig an Deinem Gewehr gerieben, dass Du an nichts anderes mehr denken konntest. Wenn Du Dich jetzt dann nicht etwas besserst, so werde ich Dir auf Weihnachten eine mathematische Formelsammlung schenken. Das wäre ein Fest! Schulkorrespondenz schreibe [?] ich jetzt nicht mehr; auch habe ich noch niemanden, mit dem ich so kindlich dumm tun könnte, wie mit Dir. Kein Faustkampf mehr in der Schulbank; aber merkwürdigerweise ist es mir doch wohler als vor einem Vierteljahr, wo ich all das noch hatte. Nur muss ich versuchen, mir ein wenig mehr Sorgfalt anzugewöhnen. Die meisten Reaktionen gehen mir im ersten zweiten Mal Flöten [sic], weil ich mir nicht die Zeit nehme, einen Niederschlag, so und so manchmal auszuwaschen etc. So geht es eben. Durch Schaden wird man klug, aber dann ist man’s und bleibt man’s; für immer?

Herzl. Grüsse

Dein W. [Werner] Kuhn

Werner Kuhn-Laursen (1899-1963) studierte Chemie. Er war später Professor und Rektor an der Universität Basel, vgl. seine Kurzbiographie im Historischen Lexikon: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D43525.php

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Korrespondenz Ernst Kind)

Metzgerei und Schulhaus in Rheineck

Samstag, 24. November 1917 – Kochen unter Kriegsumständen

Die Monatsbeilage zur Rorschacher Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 24. November Menuvorschläge:

Reisfleisch½ Kilogramm Kalbfleisch, 200 Gramm Reis, der Saft von einer halben Zitrone, Salz, 1½ Liter Wasser, 1 Esslöffel Fett, 1 gehackte Zwiebel.

Das Kalbfleisch wird in kleine Würfel geschnitten, der Reis wird erlesen und gut gewaschen. Fett und Zwiebeln werden miteinander gedünstet, das Fleisch wird beigegeben, gesalzen und einige Minuten geröstet. Dann wer[d]en Salz, Wasser, Reis und Zitronensaft beigegeben und die Speise zugedeckt auf schwachem Feuer 1½ Stunden gedünstet. Wird das Gericht im Selbstkocher zubereitet, muss es 25 Minuten auf dem Feuer gedämpft und 3-4 Stunden in den Kocher gestellt werden.

Weisse Bohnen. 750 Gramm weisse Bohnen, 2½ Liter Wasser, Salz, 1 Esslöffel Fett, 2 gehackte Zwiebeln, 1 Esslöffel Mehl, 2 Esslöffel Essig.

Die Bohnen werden erlesen und einige Stunden in lauwarmes Wasser eingeweicht. Die Zwiebeln und das Mehl werden im Fett gedünstet, die Bohnen werden mit dem Einweichwasser beigegeben und noch so viel Wasser zugefügt, bis die Bohnen damit gedeckt sind. Sie werden 2½ Stunden weich gekocht, kurze Zeit vor dem Anrichten werden Essig und Salz beigegeben. Bei der Zubereitung im Selbstkocher werden die Bohnen ½ Stunde auf dem Feuer gekocht und 2-4 Stunden in den Kocher gestellt.

Saure Kartoffeln. 1½ Kilogramm Kartoffeln, Salzwasser, 1 Esslöffel Fett, 1½ Esslöffel Mehl ,1 gehackte Zwiebel, 3 Esslöffel Essig, 2 Tassen Wasser.

Die zugerüsteten Kartoffeln werden in Scheibchen geschnitten, im Salzwasser weichgekocht und auf ein Sieb angerichtet. (Das Wasser wird zu einer Suppe verwendet.) Fett, Zwiebeln und Mehl werden hellbraun geröstet und mit dem Wasser und dem Essig abgelöscht. Die Sauce wird gesalzen und einige Minuten gekocht. Hierauf werden die Kartoffelscheibchen beigegeben und noch einige Minuten mit der Sauce gekocht.

Dörrobst. 250 g Dörrobst, Wasser, 60 g Zucker.

Das Dörrobst wird gut gewaschen, in lauwarmes Wasser eingeweicht und einige Stunden zugedeckt stehen gelassen[.] Es wird mit dem Einweichwasser auf das Feuer gestellt, 10 Minuten vorgekocht und 2 Std. in den Selbstkocher gestellt. Das Obst wird angerichtet und mit dem Zucker vermengt. Wenn es an Zucker mangelt, werden 3-4 Tabletten Saccharin [synthetischer Zuckerersatzstoff] im Wasser aufgelöst und mit dem Obst vermischt. Das Saccharin darf nicht mitgekocht werden.

Bei dem in den Rezepten erwähnten Selbstkocher handelte es sich im Wesentlichen um ein gut isoliertes Behältnis, in dem die Speisen in ihrer eigenen Wärme ohne zusätzlichen Brennstoffverbrauch garen konnten. Erfinderin des Selbstkochers ist die Wattwilerin Susanna Müller, vor allem bekannt wegen ihres Longsellers «Das fleissige Hausmütterchen». Das Toggenburger Museum in Lichtensteig besitzt ein Originalexemplar eines Selbstkochers, vgl. http://www.tagblatt.ch/ostschweiz-am-sonntag/leben/Kleinod-der-Kueche;art304178,4608472 (Bild Nr. 3 im Artikel).

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913A (Text: Rorschacher Blätter zur Unterhaltung und Belehrung, Gratisbeilage zur Rorschacher Zeitung, Nr. 7, 1917, 24.11.1917) und W 238/02.14-28 (Ansichtskarte: Rheineck, 1911)

Molitor

Dienstag, 20. November 1917 – Brief nach Deutsch-Südwest-afrika

Richard Molitor, Soldat in der deutschen Armee, schrieb noch eine dritte Karte an seinen Kollegen in St.Gallen, Joseph Fischer (vgl. Beiträge vom 23. Juli und vom 8. November 1917). Im Sommer hatte er die Zusendung von Schokolade gewünscht, und in der Mitteilung vom 8. November hatte er Joseph Fischer gebeten, einen Brief von ihm an einen Bekannten in Namibia weiterzuleiten:

Ohrdruf, 20. Nov. 1917

M. l. Jo. [Mein lieber Joseph]

Herzl. Dank für die rasche Antwort. Die wiederholte Adresse ist richtig. Brief geht in nächster Zeit ab. Er ist nicht gross. Möchte Dich aber doch um eine weitere Gefälligkeit bitten. Es wäre mir sehr lieb, wenn Du den Brief etwa 14 Tagen [sic] nach dessen Abgang in engl. Übersetzung nochmals an Albert abgehen lassen würdest. Einen davon dürfte er dann wohl erhalten. Für Deine grosse Freundlichkeit herzl. Dank. Ja, Dein l. Kärtchen vom Sept. betr. Choc. [Schokolade] habe ich s. Zt. richtig erhalten u. Dir auch bestätigt. Sollten meine Zeilen nicht angekommen sein, was ich befürchte, so sage ich [zweites «ich» gestrichen] Dir nochmals recht vielen Dank. Ich mache Dir doch grosse Mühe, gelt? Ich freue mich, dass es Dir immer recht gut geht. Ja, hoffentlich gibt’s nach dem Kriege ein Wiederluge [sic, schweizerdeutsch «Wiederluege» für «Wiedersehen»], der Friedensengel wird doch endlich einmal kommen. Empfange herzl. Grüsse von Deinem Freunde Richard.

Die Postkarte, auf dem die Mitteilung geschrieben wurde, enthielt auf der Vorderseite das Beitragsbild. Als Bildunterschrift steht Für «ihn»! Auf der Rückseite ist Näheres zur Serie zu erfahren: Wennerberg-Karte der Lustigen Blätter (Serie VII Nr. 7.) Grosse farbige Kunstblätter mit dem gleichen Bild auf Chromokarton (42:33 cm) 2 M. [2 Mark] Verlag der Lustigen Blätter (Dr. Eysler & Co.) G.m.b.H., Berlin SW 68.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207, Album „Aus den Kriegszeiten“ (Karte an Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967) in St.Gallen)

Anzeige Pockenschutz-Impfung

Mittwoch, 14. November 1917 – Gesundheitszustand der Bevöl-kerung

Der Jahresbericht 1917 über das Medizinalwesen im Kanton St.Gallen gibt Auskunft über den Gesundheitszustand der Bevölkerung.

So meldete Dr. Theodor Wartmann über den Physikatsbezirk St.Gallen: Die durch die lange Kriegsdauer bedingte Erschwerung der Lebensbedingungen machte sich, was die Volksgesundheit anbelangt, in doppelter Richtung fühlbar: erstens in somatischer Beziehung durch eine deutlich zutage tretende Unterernährung breiter Volksschichten mit der Gefahr der Zunahme der Tuberkulose; zweitens in psychischer Richtung durch eine merkliche Zunahme der Geistesstörungen, bei denen als auslösendes Moment in zahlreichen Fällen pekuniäre [finanzielle] Sorgen, Todesfälle und sonstiger Kummer angegeben wurde. Dagegen sind die Alkoholexzesse mit ihren Folgeerscheinungen: Misshandlung und Körperverletzungen weniger zahlreich geworden. […] Die Zahl der Anzeigen ansteckender Krankheiten war keine grosse. Eigentliche Epidemien kamen keine vor. Diphtherie und Scharlach sind nie ganz verschwunden; der letztere trat wiederum in einzelnen Hausepidemien auf. Die Zahl der öffentlichen wie der privaten Schutzpocken-Impfungen war eine geringe. […]

Anderes vermeldete Dr. Jakob Ritter aus Altstätten für den Physikatsbezirk Ober- und Unterrheintal: […] Die öffentlichen Schutzpockenimpfungen fanden wieder ordentlichen Zuspruch. […]

Dr. Hans Weiss aus Grabs hielt bezüglich des Physikatsbezirks Werdenberg und Sargans fest: […] Diphtherie trat in grösserer Zahl in Sevelen und Grabs auf. Die Masern zeigten sich in Buchs und Grabs ziemlich bösartig. Der ärztlichen Anzeigepflicht wird besonders im Bezirk Sargans schlecht nachgekommen. Im Bezirk Werdenberg starben 41 Personen = 13% sämtlicher Verstorbener an Tuberkulose, im Bezirk Sargans 78 = 22,3%. (Diese hohe Anzahl Verstorbener an Tuberkulose im Bezirk Sargans dürfte damit zusammenhängen, dass seit 1909 in Walenstadtberg das St.Gallische Sanatorium für Lungenkrankheiten beheimatet war.) Starker Geburtenrückgang speziell im Bezirks Sargans. Die Schutzpocken-Impfung wurde ganz schlecht besucht. In mehreren sarganserländischen Gemeinden erschien überhaupt niemand zu derselben. […]

Aus dem Physikatsbezirk Gaster und See berichtete Dr. Hermann Lerch aus Schänis: […] Die Kommunaluntersuche wurden von den drei Amtsärzten vorgenommen. Amden entbehrt trotz grössten Wasserreichtums einer Quellwasserversorgung, ebenso Rieden, das auf zwei bei Regen trübe fliessende Brunnen angewiesen ist. Das Armenhaus Goldingen, das ganz aus Holz erstellt ist, entbehrt jeder Löscheinrichtung. Im Primarschulhaus Schänis sind die Abtritteinrichtungen ganz schlechte, ohne dass es bisher gelungen wäre, hierin Wandel zu schaffen. In der Bekämpfung ansteckender Krankheiten ist noch manches zu verbessern. Gesundheitskommissionen und Desinfektoren arbeiten oft nicht richtig zusammen. Die Gesundheitskommissionen scheinen im ganzen bedeutend weniger gearbeitet zu haben als frühere Jahre, obwohl gerade jetzt Milch und Brot in vermehrtem Masse kontrolliert werden sollten, wie die Erfahrung zeigt. […] Epidemisch trat Diphtherie in Rapperswil auf und führte zur zeitweiligen Dislokation zweier Klassen der katholischen Primarschule und zur Desinfektion der Unterrichtslokale, Vernichtung der Schulbücher und Untersuchung der Schulkinder auf Bazillenträger. Die Ansteckungsquelle scheint aber eher ausserhalb der Schule zu liegen. In Schänis trat Krätze [Milbeninfektion, die zu starkem Juckreiz führt] epidemisch auf, so dass die Schulkinder auf sie hin untersucht werden mussten. Zahlreiche Fälle wurden zur Vornahme der Krätzekur ins Krankenhaus Uznach verwiesen. Unter den nicht epidemischen Krankheiten ist der in letzter Zeit zahlreich auftretenden Entzündung des Dünndarms, kombiniert mit Icterus [Gelbsucht], zu gedenken. Die Impffrequenz war keine grosse, etwas besser im Seebezirk als im Gaster. Rapperswil, Rieden und Weesen lieferten keine Impflinge. […]

Über den Physikatsbezirk Ober- und Neutoggenburg schrieb Dr. Walter Scherrer aus Ebnat: […] Die sanitarischen Kommunaluntersuche wurden in allen Gemeinden gemacht. Kinder im Alter von 3-16 Jahren waren in den Armenanstalten von Alt St.Johann, Krummenau und Kappel. Keine der Anstalten war überfüllt. Die meisten derselben verfügte über erfreuliche Lebensmittelreserven. Die Hebammen sind mit wenigen Ausnahmen auf der Höhe ihrer Aufgaben. […] Unter den ansteckenden Krankheiten, deren Zahl keine hohe war, steht die Diphtherie an erster Stelle, ohne dass es irgendwo zu einer Epidemie gekommen wäre. Obwohl je ein Scharlachfall sich in den Ferienkolonien im Bendel, Kappel, und im Sternen, Hemberg, ereignete, kam es doch nicht zu weiterer Ausbreitung. Wattwil, Ebnat und Kappel hatten im Frühjahr Keuchhusten-Epidemien. Eine Hausepidemie von 4 Typhusfällen schloss sich an einen Todesfall bei einer nicht ärztlich behandelten Person an, bei der die Todesursache nur vermutungsweise hatte festgestellt werden können. Das bereits im Vorjahre konstatierte gehäufte Auftreten von Icterus catarrhalis in verschiedenen Gemeinden wiederholte sich in verstärktem Masse, sobald wärmeres Wetter eintrat. Die Schutzpockenimpfung ergab punkto Beteiligung ein klägliches Resultat. […]

Über die Zustände im Physikatsbezirk Alttogenburg hielt Dr. Johann Meyenberger aus Wil unter anderem folgendes fest: Da Fälle von Unterernährung namentlich bei Schulkindern häufig wahrgenommen werden, erscheinen die Schulsuppenanstalten als ein dringendes Erfordernis. […] Die Impfgelegenheit wurde nur schwach benützt. Punkto Mortalität ist zu bemerken, dass in einer Landgemeinde 8 Kinder an Lebensschwäche und Folgen des Geburtsvorgangs starben. […]

Dr. Karl Jud aus Lachen-Vonwil berichtete über den Physikatsbezirk Untertoggenburg und Gossau: Der Mangel an Kartoffeln und die Beschränkung an Brot und Fett machte sich in vielen Familien bemerkbar, doch gelang es der öffentlichen Fürsorgetätigkeit in Gemeinden und Schulen die Ernährungsmöglichkeiten erträglich, wenn auch nicht überall befriedigend zu gestalten. […] Die sanitarischen Kommunalbesuche wurden von allen 3 Amtsärzten durchgeführt. Im Armenhaus Degersheim ist nun eine neue zementierte Hausgrube erstellt worden. Das Armen- und Krankhaus Uzwil hat neue Fussböden erhalten. Die Inspektion der Hebammengeräte gab nur zu einigen kleineren Aussetzungen Anlass. Die Entbindungshefte warn zumeist richtig geführt. Eine kleine Scharlach-Epidemie hatte Gossau im I. Quartal zu verzeichnen. im übrigen kamen Infektionskrankheiten vereinzelt, zeitweise gehäuft, das ganze Jahr hindurch zur Anzeige. Keuchhusten herrschte ziemlich verbreitet während des ganzen Jahres in Straubenzell. Die Pockenschutzimpfungen wurden wenig benützt. […] Amtsärztliche Gutachten und Berichte wurden 33 abgegeben. Davon betrafen Misshandlung und Körperverletzung 4, Mord und Totschlag 1, Selbstmord 5, zweifelhafte Todesursache 1, Abortus 2, Vergehen gegen die Sittlichkeit 4, krankhaften Geisteszustand 4, gewöhnliche Polizeifälle 2, Sanitätspolizeiliches 9, Lehrerpensionszeugnisse 1. […]

Dem Jahresbericht liegt auch eine tabellarische Übersicht über die Pockenschutzimpfungen bei. Insgesamt wurden im Kanton St.Gallen im Jahr 1917 1208 Personen gegen Pocken geimpft, die meisten im Unterrheintal (259 Personen), in Gossau (163 Personen), in Oberrheintal (152 Personen) und im Untertoggenburg (151 Personen). Am wenigsten geimpfte Personen verzeichneten Ober- und Neutoggenburg mit je 17 Personen. Unten an der Tabelle heisst es: Bleibende Impfschädigungen sind keine beobachtet worden. Zur Verwendung kam ausschliesslich Lymphe aus dem schweizerischen Serum- und Impfinstitut in Bern. Die Kosten für die öffentlichen Impfungen beliefen sich auf Fr. 2230.72.

Zum Thema Epidemien vgl. den Beitrag im Historischen Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13726.php

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 039 (Jahresbericht über das st.gallische Medizinalwesen 1917) und P 907 (Die Ostschweiz, Nr. 202, 12.11.1917, Morgenblatt: Beitragsbild)

Donnerstag, 8. November 1917 – Umständliche Kommunikation

Auf einer eng beschriebenen Karte berichtete Richard Molitor (vgl. Beitrag vom 23. Juli 1917) erneut an seinen Kollegen, Joseph Fischer, nach St.Gallen:

Ohrdruf, 8. Nov. 1917.

M. Lieber!

Meine Karte aus meinem ersten Urlaub wirst Du erhalten haben. In Neustadt [?] gibt es nichts besonders Neues. War auch mit Hubert zusammen. Machte u.a. einen Besuch in Urishof [?]. Von Albert hört man seit langem nichts mehr. Ich soll ihm mal durch Dich schreiben. Schicke Dir nun nächstens einen Brief für ihn. Sei bitte so freundlich u. sende ihn in neuem Umschlag mit Deinem Namen als Absender weiter. Die Adresse lautet: Albert Ketterer, Farm Omateva, District Gobabis, Südwestafrica. Jedoch warte ich mit dem Briefe, bis Du diese Karte bestätigt hast. Schreibe bitte bald! Im Voraus besten Dank. Ich hoffe, dass es Dir recht gut ergeht u. grüsse Dich herzl. Dein Freund Richard.

Als Absender ist angegeben: Abs. Gefr. R. Molitor, Nachr. Ers. Abt. 11 Etel Ers. Zug, Ohrdruf (Thür.)

Gobabis liegt im heutigen Namibia. Es gibt offenbar noch heute eine Omateva Hunting Farm, die von Deutschen betrieben wird, vgl. z.B. http://www.namibiana.de/namibia-information/pressemeldungen/artikel/freundlicher-elefant-nach-farmbesuchen-auf-nachhauseweg.html

Auch das Deutsche Bundesarchiv weist ein Dossier von ehemaligen Besitzern nach: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/R7ARV44RM255MYGZG3VM5MQVYIHMRVFO

Die Karte war zugunsten der «Hindenburgabgabe» gedruckt worden, einer Spendenaktion, die in Deutschland während des Ersten Weltkriegs mehrfach durchgeführt wurde.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207, Album „Aus den Kriegszeiten“ (Karte an Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967) in St.Gallen)

Mittwoch, 7. November 1917 – Patent zur Speicherung von Telefongesprächen

Am 7. November 1917 reichte Hugo Ullmann aus St.Gallen ein Patent zur Einrichtung an Telephonen zur phonographischen Aufzeichnung des Gespräches des Anrufenden und des Angerufenen ein. Den Patentanspruch formulierte er folgendermassen:

Einrichtung an Telephonen zur phonographischen Aufzeichnung des Gespräches des Anrufenden und des Angerufenen, dadurch gekennzeichnet, dass sowohl von den nach dem Sprechtrichter des Telephonapparates, als auch von den nach dem Hörer desselben führenden Leitungen Zweigleitungen nach einer Schreibdose geführt sind, zum Zweck, sowohl das Gespräch der einen wie der andern durch das Telephon miteinander verbundenen Person mittelst genannter Schreibdose phonographisch aufzuzeichnen; ferner gekennzeichnet durch ein Schaltorgan, mittelst welchem einerseits die von den genannten Leitungen abgezweigten Stromkreise geschlossen und unterbrochen, anderseits gleichzeitig das Schreiborgan in und ausser Betriebstellung gebracht wird, und im weitern gekennzeichnet durch ein durch die abgezweigten Stromkreise steuerbares Hemmorgan, mittelst welchem eine Kraftquelle in und ausser Betrieb gesetzt wird, letztere zum Zweck, die Schreibdose und das zur Aufnahme des Gespräches dienende Organ relativ zueinander zu bewegen.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZW 2 S/120b-077170 (Text und Illustrationen) und P 770.1917 (Beitragsbild, Werbung aus dem Offiziellen Adressbuch von Gross-St.Gallen von 1917)

Baeckerei in Rheineck, ca. 1900

Dienstag, 6. November 1917 – Kriegsbilanz und Tagesgeschäft

Josef Scherrer, der vielbeschäftigte Sekretär des Zentralverbands christlichsozialer Organisationen, schrieb in seinem Tagebuch:

Ich habe seit langer Zeit keine Tagesnotizen mehr geführt. Eine Sünde, die ich immer wieder begehe. Zuviel Arbeit ist mir eine kleine Entschuldigung. Seit den letzten Notizen, die auch hier niedergelegt, ist so vieles wieder anders geworden. 

Der Krieg ist trotz den ernsten Bemühungen des Heiligen Vaters Papst Benedikt XV. weiter gegangen. Letzter Tage hat die gewaltige deutsch-österreichische Offensive den Italienern entscheidend zugesetzt. Heute melden die Österreicher und Deutschen bereits 250,000 Gefangene und eine Beute von 2000 Geschützen. Vielleicht ist das doch Friedensarbeit!

Ende September 1917 habe ich eine neue grosse Arbeit übernommen. Die Regierung des Kantons St. Gallen hat mich als Leiter des kantonalen Brotamtes berufen. Es ist einerseits für mich eine verlockende Arbeit, anderseits werde ich auch hier manche Sorgen zu kosten bekommen. Die Einführung der Brotkarte ist zwar im Kanton St.Gallen noch ziemlich glatt gegangen, Gott sei Dank! Ich hätte mich schon schön blamieren können! Möge Gott mir helfen, das wichtige Amt in schwerer Zeit gut zu verwalten.  

Rechnungskommission der politischen Gemeinde Tablat.

Rechnungskommission Die Sitzungen haben wieder seit einiger Zeit begonnen. Eine Arbeit, die an und für sich nicht uninteressant ist. Ich mache sie jetzt das 6. Mal. Da hat man doch bald genug.  

Konferenz. Vorberatende Kommission zur Baukommission.

Errichtung einer Baukammer des Kantons St.Gallen im Mercatorium in St.Gallen.

Koch & ich sind in die vorberatende Kommission berufen worden. Ich habe namens der christlich-sozialen Organisation grundsätzlich zugestimmt.

Antrag des Ingenieur- & Architekten-Vereins. Es soll das Justizdepartement angefragt werden, ob nicht ein Baugericht bestellt werden soll.

Schirmer [?]. Das Justizdepartement wird nicht dafür zu haben sein. Ein ganzes Baugericht wird so rasch nicht eintreten. Aber es wäre ein freiwilliges Baugericht doch zu gründen.

Dr. Wyler will wissen, wie sich das Kantonsgericht dazu stellt.

Ingenieur Sommer referiert über die Geschichte der Vorberatungen. Die Fachleute Kantonsbauamt, Stadtbauamt, die Bundesarchitekten sind gegen die Bildung.

Kantonsgerichtspräsident Dr. Geel hat sich gegen die gesetzlichen Fachgerichte ausgesprochen, da das Kantonsgericht nach und nach ausgeschaltet würde. Wenn alle Interessen-Kreise für ein Spezialgerichtswort einträten, so ist die Einführung möglich. Das Kantonsgericht lehnt die Errichtung eines Baugerichtes einstimmig ab.

Dr. Wyler ist für die Spezialgerichtsbarkeit.

Stauber, Zimmermeister Ich spreche mich grundsätzlich für eine Baukammer aus, immerhin unter gewissen Vorbehalten.

Koch sozialdemokratischer Sekretär spricht sich ebenfalls grundsätzlich für die Baukammer aus.

Högger will die Sache weiter verfolgen.

Es wird beschlossen, eine Konferenz mit den Behörden angestrebt. [sic]

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch Scherrer) und W 076/3.27.092 (Bäckerei und Conditorei von J. H. Tobler in Rheineck, ca. 1900)

Rationierungsmarken

Donnerstag, 1. November 1917 – Rationierung

In Nachlässen findet man zuweilen Rationierungsmarken aus den Weltkriegen. So sind auch im Album «Aus den Kriegszeiten», das Joseph Fischer zusammengestellt hatte, einige solcher Dokumente aufgeklebt. Diese Marken sind nur erhalten geblieben, weil sie nicht eingelöst wurden: entweder, weil man die entsprechende Speise benötigte und sie anderweitig ersetzen konnte, oder – sehr viel häufiger – weil man sich das betreffende Nahrungsmittel gar nicht leisten konnte. Vielen Arbeiterfamilien nützten alle Coupons nichts, weil sie gar kein Geld hatten, sie einzulösen. Aus welchen Gründen sich die vier Reiscoupons für November 1917 erhalten haben, lässt sich nicht mehr nachvollziehen:

Rationierung

Nächster Beitrag: 6. November 1917 (erscheint am 6. November 2017)

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207, Album „Aus den Kriegszeiten» von Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967), St.Gallen