Sonntag, 6. August 1916 – Ein Loch im Hosenboden, aber Edelweiss von der Kraialp

Tourenbericht 5./6. August 1916. Wildhauser Schafberg.

Teilnehmer: Tourenchef Herr O. Schweizer, Herren Mantel, Haab, Felber, Velly[,] Siebert.

Heute ist Wandertag, // Heut sind wir frei. // Wir hab’n uns sechs Tag geplagt  // Nun ist’s vorbei. // Drum woll’n wir wandern heut // Über Tal und Höhn // Dass sich das Herz erfreut // An den Bergeshöhn!

Durch die abendliche Dämmerung führte uns der Zug Haag-Gams zu. Wir sind glücklich wie die Kinder, gilt es doch dem Wildhauser Schafberg aufs Haupt zu steigen und dazu das schöne Wetter. Nach einer Rast[,] wo wir uns stärkten, gings unter Stern’übersätem Himmel nach Wildhaus. Ach wie tat uns diese abendliche Kühle so wohl! Bevor wir die staubige Landstrasse verliessen[,] machten wir einen kurzen Halt. Dann gings durch ein stockfinsteres Tobel, über Stock und Stein, wo es manche unfreiwillige Niederlassung gab.

Wer liegt dort an dem Boden, so lang wie er gebor’n. // Ich glaub es ist Freund Max’l den haben wir verlor’n. // Die Beine nach dem Himmel streckt er voll Seelenruh‘ // Und einige kräftige Flüche, die singt er sich dazu. // Ich bin doch nicht besoffen, will auch kein Flieger sein, // Dass ich mit solcher Grazie flieg in dies Loch hinein. // Doch halt, ich will nicht schimpfen und will zufrieden sein, // Denn jetzt fällt mir gerade ein schönes Sprichwort ein: // „Wenn Herz und Aug‘ sich laben, // Muss der Hintere auch was haben.“

Auch unsere Kollegin hat sich wollen das Laufen versüssen, // Und fing an aus Versehen den Boden zu küssen. // Sie glaubte wohl einen Jüngling in den Armen zu haben, // Doch ach, die Knie[,] die mussten die Sühne tragen. // Verschiedene Stückchen Haut sind dabei ab Handen gekommen, // Doch hat’s ihr den Humor deshalb noch nicht genommen.

Von der Teselalp ging es auf gut angelegtem Weg nach dem Schafboden, wo wir den Tag abwarteten. Trotz der frühen Morgenstunde wurden wir vom Senn freundlich aufgenommen und zum Bleiben aufgefordert, was wir gerne annahmen, denn zum draussen sitzen war es empfindlich kühl. Nun gings ans Kochen.

Da gabs verschiedenes[:] Suppe und Thee [sic], // Milch auch und Cacao wie im Wiener-Cafe // Der Senn unterm Dach da ob’n schaut voll Sehnsucht herab // Was doch so ein Stadtmagen nicht alles verdauen mag. // Er raucht sich ne Pfeife an und denkt sich dann still // Hier Magen hast auch was, was ein Stadtmagen nicht will.

Noch ehe das Morgenessen recht vertilgt, welchem wir tüchtig zusprachen, fing es an zu dämmern und wir rüsteten uns zum Aufbruch, was freilich etwas mühsam ging, denn der Schlaf zeigte sich, doch der verflog bald wieder. War das ein Erstehe [sic]; um uns tiefe Stille nur hie und da unterbrochen von dem friedlichen Geläute der Herdenglocken und über uns diesen wolkenlos blauen Himmel. Wir sind noch keine Stunde gestiegen als die Sonne die weissen Häupter der Bergriesen rosa färbte; wir konnten uns kaum trennen von diesen [sic] Bilde. Zuerst gings über Matten, die mit Felsbordchen [-bördchen] abwechselten, bis wir zu Schnee kamen. Jetzt heisst’s aufpassen, denn er ist hart gefroren. Anfangs gings ganz gut, bis wir zum obersten grossen Schneefeld kamen.

Hier glitschte nun Freund Felber mit einem Fusse aus, // Und rutschte immer weiter, ich glaub, er rutscht nach Haus. // Und unten angekommen oh Graus, oh welcher Schreck, // Es riss ihm aus Versehen, den Hosenboden weg. // Als er sich dann betastet die Hose zwanzigmal // Sagt er dann ganz bedächtig „es ischt bim eid“ [Es ist beim Eid] fatal // So komm jetzt Freu[n]der’l wir haben keine Zeit // Wenn dich auch die Sonne heut von der andern Seit‘ bescheint. // Er denkt sich dann im Stillen als er so vorwärts geht // S’ist hässlich eingerichtet, dass bei den Rosen gleich die Dorne steht.

Da die Schneeverhältnisse ungünstig waren, konnten wir den Weg durchs Kamin nicht benützen, dafür aber gings in schöner Kletterei auf den Gipfel wo wir um ½8 heur [sic] landeten. War das eine Pracht, der ganze Alpstein lag vor uns, doch wir wandten uns schnell den überzuckerten Bergriesen zu. Von den Österreichischen bis weit in die Berneralpen lag jeder Gipfel in solcher Klarheit vor uns wie man sie selten zu sehen bekommt.

O Höhenluft O Gipfelzauber wie seid ihr eng vereint. // Wenn Euch in früher Morgenstund die Sonnen‘ so schön bescheint // Dann jauchzt das Herz voll selger Wonne // Erwärmet von der Morgensonne!

Dort hinauf ins Reich der 4 Tausender ist unser sehnsüchtiges Verlangen. Wir konnten uns kaum trennen von diesem Bilde. Doch der Magen ruft, und will auch zu seinem Rechte kommen.

Wurst, Käse, Butterbrot und Musik dazu // Eine Cigarette noch und dann ein bis[s]chen Ruh! // So Freund Felber nun heran, Ruft unser kleines Bäschen. // Jetzt fangen wir zu flicken an // An deinen Sonntagshöschen! // Bedächtig legt er sich dann hin, wie wenn er sich genierte // Mit Schere, Nadel und mit Zwirn // Üsers Bäsli operierte.

Gruppe 

Dritte von rechts ist vermutlich Nelly Siebert, das „Bäschen“ oder „Bäsli“ im Bericht, welches dem Kameraden die Hose flickte und möglicherweise die Illustrationen (s. unten und im Titel) im Tourenbuch zeichnete. Dass sie für die Wandertouren praktische Hosen trug, war zur damaligen Zeit sehr aussergewöhnlich. Wenn sich Frauen überhaupt auf solche Unternehmungen einliessen, trugen sie in aller Regel Röcke. (Foto: O. Schweizer)

Lieber Felber nimm dich in acht, // Sonst deine Haut mit der Nadel Bekanntschaft macht. // Mit weiss und schwarzem Faden ist nun die Hose geflickt // Mit einem schweren Seufzer er sich bedächtig bückt. // Jetz[t] kann ich wieder klettern in aller Seelenruh, // In meinen Sonntagshosen ist das Loch jetzt wieder zu.

Nuns gabs noch eine photographische Aufnahme von unserm Freunde Schweizer. Das waren schöne schnellzerfliessende Stunden, die Gipfelrast auf dem Schafberg, so allein, wo es auf dem Säntis und Altmann von Menschen wimmelte wie auf einem Ameisenhaufen. Nur zu schnell mahnte unser Führer zum Aufbruch, wollten wir doch noch nach der Krajalp um nach Edelweiss zu sehen es fiel zwar etwas mager aus, doch es bleibt immer ein Andenken an die unvergessliche Tour. Nach dem die Blumen verpackt gings im Schnellschritt nach der Teselalp wo wir zu Mittag assen.

Im Essen ist Freund Mantel, // der beste Hochtourist, // Auf seiner Mittagstafel, man stehts [sic] was Feines isst. // Braten, Nudeln, Suppe, alles gibt es da, // Zuletzt noch kalte Erdbeer’n, der hat Geschmack, ja, ja. // Au üsers Bäsli hät säb g’merkt, si macht si i sini Nöchi // „I bi bim Klettere din Gschpane gsi, Drum will en au bim Esse si.“

Vor lauter Essen ist Freund Mantel ich glaub im Hirn defekt // Weil er in seiner Aufregung, die Uhr in Brunnen steckt. // Da gabs ein Schimpfen und ein Schelten, obwohl er selber schuld // Die Uhr ihm jetzt die Sonne trocknet, sie zeigt ihm seine Huld.

Nach 1½ stündiger Rast gings den gleichen Weg zurück nach Wildhaus und Haag-Gams.

Dass Haab ganz gerne Tango tanzt, das habe ich gewusst // Dass er es auch auf Eiern kann, das war mir unbewusst. // Er tänzelte die Landstrass‘ hin, als wie ein zahmer Hahn, // Doch ach, auch unser Felber fing, gar bald zu tanzen an. // Auch Mantel hat an einem Bein, ‘ne Blase ziemlich gross, // Doch s’Eiertanzen hat bim aid [beim Eid] er doch no lang nit los!

Karl Mantel                                                                                    Nelly Siebert.

Berg frei!

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 285/2.06.1-1 (Touristenverein Naturfreunde St.Gallen (TNV), Sektion St.Gallen, Tourenbericht) und W 285/2.06.1-2 (Gruppenbild)

Postkarte zum Velorennen 1901

Donnerstag, 3. August 1916 – Ferienkolonien, Velorennen und der Zirkus Knie

Vermischte Meldungen im Stadtanzeiger von St.Gallen:

Kanton St.Gallen.

Hemberg beherbergt zurzeit nicht weniger als vier Ferienkolonien; fröhliches Singen und Kinderjubel ertönt überall.

St.Galler an ausserkantonalen Schulen. Laut einer Zusammenstellung des «Fürstenl.» [Fürstenländers] zählt das Gymnasium Einsiedeln 79 St.Galler, dasjenige in Schwyz 54, Appenzell 71, Sarnen 23, Stans 65, Engelberg 49 und Altdorf 5. Im ganzen besuchen also 346 St.Galler auswärtige Gymnasien.

 

Stadt und Umgebung.

Arena Knie.

(Eing.) Seit dem letzten Besuch dieser altbekannten und beliebten Künstlerfamilie sind nun schon mehrere Jahre verflossen. Dieser Tage ist sie nun wieder hier angekommen und hat auf dem Tonhalleplatz sich niedergelassen. Der Name Knie hat schon lange einen guten Klang in der Artistenwelt und bei deren Freunden, hat doch Friedrich Knie schon im Jahr 1787 zu Innsbruck die Gesellschaft Knie gegründet, die in der folge eine Art Künstlerdynastie wurde. Die jetzigen Mitglieder der Gesellschaft zehren aber nicht bloss vom Ruhm der Vorfahren, sondern sie bemühen sich eifrig, immer etwas Neues und Ausserordentliches auf dem Gebiet der Gymnastik und Equilibristik vorzuführen. Diesmal erscheint die Familie Knie mit einer ganz neuen Aufmachung und begleitet von einer grossen Künstlerschar.

Anzeige für Zirkusvorstellung Knie

Der Täter ermittelt.

(Amtliche Mitteilung.) Zur Beruhigung des Publikums sei mitgeteilt, dass der Täter jenes Ueberfalls im Paradiesquartier von vergangener Woche in der Person eines 21jährigen Burschen ermittelt worden ist; derselbe ist geständig. Schundliteratur dürfte den Burschen auf die schiefe Ebene gebracht haben. Wiederum eine Warnung, auf die Lektüre der Jugend zu achten.

Eine Distanzfahrt Zürich-St.Gallen

(80 Kilometer) veranstaltet der Schweiz. Radfahrerbund Sonntag den 20. August 1916. Berechtigt zur Teilnahme an derselben haben in Kategorie A: Schweizer Militärs auf schweizerischen Militärfahrrädern; in Kategorie B: Wertpreisfahrer auf beliebigem Tretrad. Die Strecke führt von Zürich (Walcheplatz) nach Winterthur, Wil, Oberuzwil, Flawil, Gossau, St.Gallen. Das Ziel befindet sich beim Restaurant «Burgeck» an der Fürstenlandstrasse.

An ersten Preisen winken den Siegern in Kategorie A: 1. Ein Tourenrad im Werte von Fr. 250, Ehrenpreis der Firma B. Schild und Cie., Fahrradwerke in Madretsch-Biel, ferner Vermeilmedaille [sic] und Diplom; 2. Silberner Bundesbecher im Werte von Fr. 50; 3. Silberne S.K.B.-Armbanduhr im Werte von Fr. 40. In Kategorie B: 1. Gossse silberne S.K.B.-Plakette im Werte von Fr. 80; 2. silberner Bundesbecher im Werte von Fr. 50 ec. Ferner erhält in beiden Kategorien ein Viertel der Startenden Kränze.

Die Bundesfeier in Bruggen

wird uns von anderer Seite noch gemeldet: Wie üblich, fand die Bundesfeier auf der Schulwiese in Bruggen statt. Schon vor der festgesetzten Zeit hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden. Durch ein Vaterlandslied eröffnete die Musik zur festgesetzten Zeit die Veranstaltung; abwechselnd produzierten sich Männerchor, Turnverein und Töchterchor. Oin patriotischer Rede liess Herr Gemeindammann Rüesch die Schreckensbilder de sKriegs und di edaraus für unser Vaterland isch ergebenden unangenehmen Folgen im Geiste vorüberziehen, jeden Bürger an den Ernst der Lage ermahnend und darnach die Aufforderung knüpfend, zum Vaterland zu stehen in diesen Tagen der Gefahr, und durch einträchtiges Zusammenwirken das Wohl desselben zu fördern. Nach dem Vortrag einiger Vaterlandslieder durch die Chöre folgte man der Einladung zum Gartenkonzert nach Stocken. Herr Müggler, Kaufmann, entbot den Anwesenden im Namen der Vereine den Willkommgruss, verbunden mit dem Hinweis auf die Tatsache, dass die gegenwärtige allgemeine wirtschaftliche und finanzielle Lage wohl kaum dazu angetan sei, Feste zu feiern. Die Vereine rechnen es sich jedoch zur Ehre an, dem Publikum durch einige Vorträge von Vaterlandsliedern am Geburtstag unseres Vaterlandes dienen zu können. Die Ausführung hat ihm recht gegeben. Männerchor, Musikgesellschaft und Töchterchor überboten sich im Wetteifer um das Beste.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 903 (St.Galler Stadt-Anzeiger, Nr. 180, 03.08.1916, Text, sowie Anzeige Zirkus Knie in der Ausgabe vom 05.08.1916) und W 238/09.04-18 (Ansichtskarte, Verlag: B. Gerschwiler, Papeterie, Flawil, No. 681)

Sonntag, 30. Juli 1916 – Wie man einen Festanlass plant

Einen Grossanlass wie ein Kantonalturnfest oder eine Turnfahrt zu organisieren, bedingte diverse Vorbereitungen. Für den für 1916 geplanten Anlass traf sich der Vorstand des Kantonalturnverbands am Sonntagmorgen im „Kräzerli“, Urnäsch. Der Sommersonntag bot – in diesem Jahr ausnahmsweise – gutes Wetter für den Anlass.

IV. Festliche Anlässe.

Der Vorsitzende konstatiert mit Vergnügen, dass der Redner für den patriotischen Akt: Herr Dekan Rothenberger, heute zur Verfügung steht: bei einer allfälligen Verschiebung wäre derselbe jedoch nicht zu haben gewesen. Als Ersatz hatte der Vorsitzende für diesen Fall bereits die Zusage von „Herrn Major Jules Schönholzer“ – St.Fiden erhalten, der dann in die Lücke getreten wäre. Der Vorstand beschliesst an beide Herren Dankschreiben abgehen zu lassen.

Die Kreistelegraphen-Direktion V erteilt mit Zuschrift vom 17. Juli ihr Einverständnis zur Benützung von Anfragen an die Telephon-Zentralen St.Gallen, Herisau & Urnäsch über die event. Abhaltung der Kantonalturnfahrt.

Die eidg. Meteorologische Anstalt Zürich bestätigt mit Zuschrift vom 20. Juli die Anfrage des Kantonalvorstandes über Auskunfterteilung der mutmasslichen Witterung am 30. Juli. Der inzwischen eingetroffene Bericht lautet diesbez. günstig.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Protokoll) und W 238/03.02-13 (Foto J. Thurnheer, Berneck)

 

Samstag, 15. Juli 1916 – Das Jugendturnen gibt zu reden

Auszug aus dem Protokoll des Kantonalturnverbands St.Gallen, dessen Vorstand im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen tagte:

[…]

VI. Festliche Anlässe.

[…]

c) Am Kantonalen Schwingertag vom 2. Juli a.c. in Rorschach hat als Vertreter des Vorstandes Kessler andemselben [sic] teilgenommen. Derselbe, sowie der Vorsitzende schildern die Arbeit als durchweg gut; ebenso wird auf die vorzügliche Organisation und die dem Turner- und Schwingerwesen in Rorschach durchaus sympathische Haltung der Gemeindebehörden und der Spitzen der Bürgerschaft hingewiesen.

[…]

IX. Weiterer Verkehr mit Behörden, Volk u. Presse.

b) Tobler erstattet einen Zwischenbericht über das Jugendturnen. […] Für diese [gemeint sind Jugendriegen für 12-14jährige Knaben] wäre ein regelmässiger Besuch Bedingung; die Übungen sind möglichst früh anzusetzen. Der Besuch soll mit Wissen und Willen der Eltern geschehen, wie überhaupt [auf] eine Verbindung mit diesen zu achten ist.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Protokoll) und W 238/10.00-06 (Ausschnitt einer Ansichtskarte des 1886 gegründeten Kantonsschulturnvereins, ca. 1905)

Sonntag, 2. Juli 1916 – Umwelt-schutz? Naturfreunde vergraben Konservendosen und füttern Fische im See mit Nudeln

„Berg frei“ ist der traditionelle Gruss der Naturfreunde, die ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung haben. Im Gegensatz dazu steht „Berg heil“ der bürgerlich orientierten Alpenvereine. 1912 entstand am Säntis die erste Naturfreundehütte der Schweiz.

Tourenbericht vom 2. Juli 1916. „Säntis-Altmann“.

I. Grau der Himmel schon seit Wochen, Sonne kennt man fast nicht mehr, // Ständig kommen angekrochen, düstre Wolken regenschwer. // Ein’ge wetterfeste Knaben, trotzdem sich entschlossen haben, // Die Berge zu ersteigen, um Petrus mal zu zeigen; // Dass er trotz Regen und Hagelschauern, // Uns nicht die Laune kann versauern.

II. Per Dampfross sie nach Urnäsch ziehn, // Im Abendglanz die Berg‘ erglühn. // Und Kessler voran, macht Riesenschritte, // Am Rossfall vorbei, jetzt hat man die Mitte // Von Urnäsch bis Krätzerli erreicht, // Wie wird uns das Herze so leicht.

III. Im Krätzerli gabs feinen Fladen, // Auch Milch und Wein kann man da haben, // Nachdem wir den Magen Tribut gebracht, // Haben vom Himmel die Sterne gelacht.

IV. Und weiter zieht es uns mächtig, auf Schwägalp, wie prächtig, V/ om Säntis treu bewacht, in milder Sternennacht, // Fanden wir unsere Hütte wieder, // Wo wir geruht die müden Glieder.

V. Früh morgens eh die Hähne krähn, // Und alles noch in süsser Ruh, // Giebts kein lang Besinnen mehr, // Freund Schweizer ruft uns zu, // Auf auf Kamerade, heraus aus dem Heu, // Das Frühstück verzehrt, den Rucksack herbei, // Und schon in kurzer Zeit, war alles marschbereit. // Er zählt die Häupter seiner Lieben, // Und sie[he], statt sechse warens sieben.

VI. D’rauf ganz bedächtig, im Morgenrot prächtig, // Geht es bergan, zur „Tierwies“ dann. // Dort gabs einen Schnaps, und weiter gabs, // Zu bewundern die herrliche Alpenwelt, // Ein armer Tropf dem das nicht gefällt.

VII. Der Säntis-Gipfel war bald erklommen, // Von der Sonne soeben wach geküsst. // Die Aussicht war herrlich u. wenig verschwommen, // Ihr stolzen Berge seid uns gegrüsst.

VIII. Was kann man doch alles hier oben erleben, D// a sahen wir ein Dämchen soeben, // Mit Lackstiefelchen angetan ganz fein, // Für ein Schuhgeschäft Reclame laufen, // Mögt alle ihr eure Bergschuh dort kaufen.

IX. An stolze Felswand, am Liesengrad [Lisengrat], // Ein Plätzchen wir fanden, das gefallen uns hat, // Und aus des Rucksacks tiefsten Gründen, // Kamen die schönsten Sachen ans Licht, // Um gleich im Magen zu verschwinden, // Dem Wettergott gefiel das nicht. // ER gab uns seinen Morgensegen // Vom Weg mit auf den Liesengrad, // Aus Himmels-Schläusen [sic] strömt der Regen, // Uns wenig, das genieren tat.

X. Über Fels und Stein, // Immer hoch das Bein, // Sind wir geklettert. // In kühnem Schwung den Schnee hinab, // Und immer weiter, bergauf, bergab.

XI. Sei uns gegrüsst, stolzer Altmann, // Auch Du musst heute noch glauben dran, // „Es wird uns schon gelingen, // Auch Dich noch zu bezwingen. // Von der Stirne heiss, rinnen muss der Schweiss, // Soll das Werk den Meister loben; // In kurzer Zeit schon sind wir oben.

XII. Der Himmel hat sich aufgehellt, // Ringsum, so schön, mit Worten nicht zu sagen, // Erstrahlen Firn u. Gletscherwelt, // Bis wo die Gipfel in den Himmel ragen. // Ja, die Natur so göttlich schön, // So einzig wahr und rein. // Warum kann denn die Menschheit nicht // In Frieden einig sein?

XIII. Der Säntis zieht inzwischen, die Nebelhaube an, // Nun heisst es abwärts wieder, hübsch langsam, Mann für Mann. // Am Ostgrad [Ostgrat] vorbei, im Schaffhauser Kamin, // Über Schründe u. Spalten mit frohem Sinn. // Freund Minder hat sich ein Liedchen gepfiffen, // Vor lauter Freude, wir haben’s begriffen. // Zu Tal manch helle Jodler schallen, // Die von den Bergen wiederhallen.

XIV. Am End‘ vom Kamin, im Schnee ein Rutsch, // Auf einmal war Freund Pickert futsch. // Mit Beinen und Armen, dass Gott erbarmen // Fährt er in der Luft herum, Ach das war auch gar zu dumm. // Vom Kessler die Hose aus gutem Loden, hat schwer gelitten an ihrem Boden, // Darauf folgt Minder im lockigen Haar, die Schneebrillen raus, sonst lauft ihr Gefahr.

XV. Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp // Zu rutschen das lange Schneefeld hinab? // Schweizer als erster saust schon hinunter, // Und wieder folgt einer frisch und munter, // Bis alle wir unten gelandet sind // Auch Masel die Sprache wiederfindt. // „Schneidig“ sagt er „watt?“ // „Donnerwetter abjerutscht“ // Minder darob lacht und hat // Sich die Brille abgeputzt.

Bergwanderer

Die Gruppe nach der Rutschpartie am unteren Ende des sogenannten Schaffhauser Kamins (Foto im Tourenbuch).

XVI. Am Fählensee in friedlichem Vereine, Männlein u. Weiblein, Arme u. Beine // Von sich gestreckt in süsser Ruh, // Und vom Himmel die Sonne lacht dazu. // Gengis [?] nebst Damen, im schönen Rahmen // Begrüssten wir da, so wunderbar. // „Berg frei“ erschallt es aus aller Munde, // Miteinander verbrachte man eine Stunde. // Die Loreley macht Toilett, als käm sie grad erst aus dem Bett, // Sie wäscht sich mit dem Kamme, u. kämmt sich mit dem Schwamme, // Und Max singt ein Lied dabei, von wunderbarer Melodei.

XVII. Darauf sind sie hinweg marschiert, u. haben uns unten avisiert, // Im Weissbad treffen wir uns wieder, inzwischen lebt wohl Touristenbrüder // Wir aber sind noch liegen geblieben, und haben uns dazu entschieden // Noch einmal abzukochen zünftig, ich glaube das war sehr vernünftig. // Da hört man es brodeln, bei Minder giebts [sic] Nudeln, // Zwar versalzen sie sind, aber dafür nicht lind. // Max trinkt, ach herje, „Halleluja-Tee“ // Und Pickert behauptet steif u. fest, Hafersuppe sei das Best. // Was steht bei Schweizer auf dem Küchenzettel heut? // Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit, // Und Kessler meint, weil die Sonne scheint, // Braucht keinen Sprit man zu verbrennen, // Ich will ein praktisches Mittel euch nennen. // Mit dem Bauch in die Sonne legt er sich drauf, // Und wärmt sich das Morgenessen auf.

XVIII. Dann nach beendigtem Schmause haben, // Wir leere Conservenbüchsen vergraben. // Mit den Nudeln die Fische im See wir beglücken, // Mögen sie sich daran erquicken. // Dankbaren Herzens haben wir dann, ein Opferfeuer gezündet an, // Und schafften somit zu gleicher Zeit, // Alle Papierresten auf die Seit. // Schnell noch dem Kessler die Hose geflickt, // Nachher haben auch wir uns gedrückt. // Sind dann den Stiefel hinab getrollt, // Die Beine haben nicht recht mehr gewollt. // Auf einmal sah man, es war zum lachen [sic], // Freund Willy `nen schwungvollen Salto machen. // Die Feldflasch in schönem Bogen, ist zu Tal geflogen. // Max hat sie schnell noch aufgefangen // Und somit war alles gut gegangen; // Denn die Fische umfing mit ihrer Hülle // Kühlen See in grosser Fülle, // Der soll uns noch laben, wenn Durst wir haben; // Denn der Weg bis ins Weissbad ist noch lang, // Da lernt man schätzen solch edlen Trank.

XIX. Auf Platten, am Weg, steht ein Häuschen gebaut, // Von schattigen Bäumen gar lieblich belaubt. // Da tät’s uns gefallen, da zieht es uns hin, // Doch fort muss der Wandrer, muss heimwärts ziehn.

XX. Im Restaurant zum Weissbad, da kehrten durstig ein, // Die fröhlichen Gesellen, und fanden bei Saft und Wein // Die Staubern-Kraxler wieder, drum liessen sie sich nieder, // Verzehrten, was Gutes die Wirtin bot, // Saft, Bier und Wein, auch Wurst und Brot.

XXI. Bis Appenzell das kurze Stück, // Legt man noch recht gemütlich zurück, // Mit fröhlichem Gesang, und Schnörregiege [Mundharmonika] Klang. // Zum Schluss noch ein schönes Regenbad // Uns sauber abgewaschen hat.

XXII. Leider müssen wir heimwärts gehen, // Ihr Berge lebt wohl, auf Wiedersehn, // Mit Dankbarkeit im Herzen, und Frieden in der Brust, // Was die Natur uns bot, wir sind es uns bewusst. // Am Himmel zucken Blitze, und ferner Donner kracht, // Ade ihr Berggenossen, für heute

„Gute Nacht“

W. Pickert[,] 2. Juli 1916.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 285/2.06.1-1 (Touristenverein Naturfreunde St.Gallen (TNV), Sektion St.Gallen, Tourenbericht) und W 285/2.06.1-2 (Bilder)

Sonntag, 28. Mai 1916 – Einladung zum Turntag in Rheineck

[…]

V. Festliche Anlässe.

a) Das Komitee des rheint. Turnverbandes ladet den Vorstand zur Teilnahme an den am 12. Juni in Rheineck stattfindenden Turntag ein; abgeordnet werden Hotz und Kessler. Da auch von den andern Verbänden die üblichen Einladungen zu Vertretungen erwartet werden, bestimmt der Vorstand als seine Vertreter am 1. Turntag des Bezirksturnverbandes St. Gallen u. Umgebung Litscher und Sturzenegger, an denjenigen des toggenburgischen Verbandes im Juli Tobler und Sinkwitz.

b) Mit Rücksicht auf die militärischen Verhältnisse, die nach einer Mitteilung des Vorsitzenden für St.Gallen über den Sommer günstig sind, kann der Vorstand an seinem bereits gefassten Beschluss über Ausführung einer zentralisierten Kantonal-Turnfahrt festhalten. Als Datum wird der 30. Juli ev. 6. August bestimmt. Für das Ziel werden vorgeschlagen: Bendel, Hochkamm, Kräzerli, Gäbris, Sitz, Wilket, Kronberg, Kühboden, u.a. Von diesen gelangen Kräzerli, Gäbris und Sitz in die engere Diskussion; während Kessler mit Rücksicht auf die Bodensee-Toggenburgbahn den Sitz befürwortet, plädieren Tobler und Peyer für das Kräzerli. Mit 4 gegen 2 Stimmen, die auf den Sitz fallen, wird das Kräzerli als Ziel der diesjährigen Kantonalturnfahrt bestimmt. Die Vorarbeiten, bezw. die Vornahme einer Rekognoszierung im Kräzerli werden einer 3gliedrigen Spezialkommission übertragen und als Mitglieder derselben bezeichnet: Hotz, Tobler und Peyer.

[…]

VII. Staatliche Subvention.

Seitens der Firma Alder-Fierz und Gebr. Eisenhut [Hersteller von Turngeräten] ist unterm 11. Mai der neue Preiscourant eingelangt, der mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls erhöhte Preise gegenüber früher vorsieht.

[…]

Der Vorstand des Kantonalturnverbands St.Gallen traf sich im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) sowie ZOF 002/02.11 (Turner bei einer Barren-Übung, zwischen 1912 und 1925; Diapositiv-Sammlung der Psychiatrischen Klinik Pfäfers, Bild: Wehrli AG, Züriche) und ZMH 17/011 (Briefkopf der Turngerätehersteller Alder-Fierz und Eisenhut in Ebnat-Kappel aus dem Jahr 1918)

 

Mittwoch, 10. Mai 1916 – Mit vollem Einsatz: Fussballspielen im Hof Oberkirch in Kaltbrunn

Das Landerziehungsheim Hof Oberkirch in Kaltbrunn war eine von verschiedenen reformpädagogischen Schulen mit Internatsbetrieb, die in der Schweiz zwischen 1900 und 1930 eröffnet wurden.

Heute endlich war der grosse Tag. Der kleine, nunmehr vergrösserte flotte Fussballplatz wurde eingeweiht. In guter Marschordnung kamen die Mitglieder des Fussballklubs auf den Platz, wo sie lebhaft begrüsst wurden. „Tschicco“ trommelte aus Leibeskräften, allerdings nicht ganz im Takt, was aber der allgemeinen Begeisterung keine Einbusse tat. Der Präses hielt eine Rede. Hierauf gab es verschiedene Matches. Auch die Nichtfussballer zeigten ihr Können in zwei Wettspielen zum Vergnügen Aller. Es gab dann einen gemütlichen Vesper, nachher verschiedene Spiele und zum Schluss ein lustiges, erfrischendes Bad [im schuleigenen Swimmingpool].

Fussballspielen

Die Bilder stammen aus einem Fotoalbum im Archivbestand zum Hof Oberkirch. Durch das Aufkleben haben die Fotos im Lauf der Zeit Schaden genommen, so dass sie heute alle leicht gewellt sind (vgl. glänzende Stellen) und deshalb nicht mehr optimal eingescannt werden können.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Hof-Zeitung, herausgegeben im Land-Erziehungsheim Hof Oberkirch unter der Leitung von Anton Blöchlinger, Nr. 7, Juli 1916, Auszug aus der Trimesterchronik, April-Juli 1916, S. 12; Fotoalbum)

Feuerwehrkommandant St.Gallen, um 1907

Dienstag, 25. April 1916 – Feuer in Oberriet und Fussball am Ostermontag

Die Zeitungen berichteten nach dem Osterwochenende u.a. vom Ultimatum des US-amerikanischen Präsidenten Wilson an Deutschland, vom schlechten Wetter, aber auch vom Fussballspiel zwischen den ersten Mannschaften von Nordstern Basel und Brühl St.Gallen:

Fussballsport.

Das am Ostermontag auf dem Sportplatz Krontal [in St.Gallen] zwischen Nordstern I Basel und Brühl I zum Austrag gebrachte Wettspiel hat letzterer Mannschaft einen vollen Erfolg eingetragen: mit 4:0 Tor (Halbzeit 2:0) mussten sich die Basler verabschieden. Die Gäste boten nichts Hervorragendes; ihr Spiel war schlapp und nach anfänglichem ordentlichem Zusammenarbeiten zerrissen. Wohl wehrten sich einige Spieler (wie z.B. Bollinger und auch der flinke Torwart) kräftig, um die gänzliche Niederlage aufzuhalten, aber sie fanden bei der übrigen Mannschaft keinen Rückhalt. Brühl zeigte sich in seiner neuen Aufstellung durch energisches Vorgehen von Anfang an überlegen. Ausser einigen spannenden Momenten vor den Toren bot jedoch das ganze Spiel nichts Bemerkenswertes. Das Spielfeld war durch den anhaltenden Regen natürlich nicht günstig, zeitigte manche Zufälligkeiten und gab dem Ganzen ein schwerfälliges Gepräge. -k-

In Oberriet war am Ostersamstag ein Feuer ausgebrochen:

Brand in Oberriet.

(Korresp.) Am Samstag brach bei heftigem Föhnwinde in dem westlich dem Dorfe Oberriet gelegenen Weiler Rietli Feuer aus. Die vor 15 Jahren neuerbauten Gebäulichkeiten des Herrn Arnold Lüchinger jun., Ziegler, ein massiv gebautes Haus und eine angebaute grosse Scheune, wurden ein Raub der Flammen. Das Feuer wurde vom Föhn stark begünstigt; doch gelang es, dank dem raschen Eingreifen der Feuerwehr und der gutarbeitenden Hydranten, wenigstens das Haus teilweise zu retten. Der Gebäude und Mobiliarschaden dürfte schätzungsweise 15,000 Franken betragen; er ist indessen durch Versicherung gedeckt. Die in der Föhnrichtung gelegenen Nachbarhäuser stehen glücklicherweise nicht in unmittelbarer Nähe, sonst hätte leicht eine grössere Feuersbrunst entstehen können. Die Brandursache ist noch nicht aufgeklärt.

Das Beitragsbild zeigt den Feuerwehrkommandanten der Stadt St.Gallen in seiner Uniform von 1907.

Quelle: P 909 (St.Galler Tagblatt, Nr. 96, Abendblatt, 25.04.1916) und ZMB 15/1.06 (Bild)

Sonntag, 2. April 1916 – Schnee-ballkrieg und Hüttenwitze: Der SAC auf Clubtour

Das wunderbare klare und sonnige Wetter der letzten Märztage zog die meisten Skifreunde nochmals hinauf in die Schneegefilde, um dem scheidenden Winter den Abschiedsgruss zu bringen. Vielen Dank darf der strenge Herr dieses Jahr von uns nicht erwarten, für sein launisches Wesen u. […] […], aber ein gutes Ende nimmt allen Groll hinweg.

So fanden sich für die beschlossene Clubtour am Samstag abend 7 S.A.Cler und ein Gast im Zug 5.17 auf der Fahrt nach Buchs ein, trotzdem im Laufe des Tages der so hochgepriesene Pizol schon ein gutes Dutzend Clubfreunde weggelacht hat. Die schon so oft befahrene Strecke durch das Rheintal bot uns heute ein schönes Bild, der Frühling ist hier schon eingezogen, die Matten haben ihr Winterkleid abgestreift[,] und auf dem jungen saftigen Grün tummelt sich schon Jungvieh, während die Schneedecke vielerorts noch bis zur Talsohle reicht.

Gleich nach Ankunft um 8 Uhr in Buchs gings nach Einkauf einiger Notwendigkeiten für Bretter u. Magen, den bekannten Buchserberg hinauf. Der leichte Aufstieg auf der breiten und gutunterhaltenen Strasse, welche durch den hochgewachsenen Buchenwald mit wenig Steigung schlängelnd sich hinaufzieht, macht unsere Last von Sack und Hölzer[n, Skis] auf dem Rücken erträglich. Es ist eine Lust[,] in der lauen Vorfrühlingsnacht mit den [sic] funkelnden Sternenhimmel zu wandeln und zu atmen, um allen [sic] Werktagssorgen los zu werden.

Scharfe Augen nehmen schon erste Schneespuren gewahr, wenn auch nur einzelne Flecken an schattigen Halden, so rücken wir doch langsam den heutigen Ziele, dem vorbestellten Nachtquartier zu. Nach zweistündigem Marsche stehen wir um 10 Uhr vor dem hell beleuchtetem [sic] Sommerfrische Waldrand, ein kleines Oberländerhaus östlich vom Kurhaus gelegen. Der Besitzer[,] unser Gastwirt[,] ist über unsere Ankunft nicht wenig erstaunt, da er angeblich durch ein Missverständniss [sic] glaubte, wir treffen heute nicht mehr ein, sind auch alle Vorbereitungen[,] die zu unserem leiblichen Wohl hätten gemacht werden sollen[,] unterblieben. Zum grössten Bedauern Aller musste nun der Heisshunger vom Vorrat aus dem Rucksack gestillt werden, da ausser Brot und einigen Käseresten unser Gastgeber nur noch Thee [sic] u. Alkoholfreie Getränke auffinden konnte.

Gemütlich wurde es im warmen Stübli doch, wenn auch der gute Wein, der vermutlich vom Wirt heimlich[,] wie einer unserer Vertrauten meinte[,] [unlesbar] gehalten wird, unser[e] Kehlen nicht benetzen durfte, wurde ein Liedchen ums andere gesungen und die allerneusten Hüttenwitze vom Stapel gelassen. Erst gegen 12 Uhr brach man allmählich zum aufsuchen [sic] des Nachtlagers auf. Die Betten fanden allgemein Gefallen, nur das Meinige hatte einen Kapitalfehler, das ich allerdings als letzter in Besitz nahm.

Seine Maximalnutzlänge betrug 1735, während meine Grösse im Dienstbüchlein mit 181m eingetragen steht. Aus der misslichen Situation half mir mein kürzerer Schlaf- und Sangesbruder. Habe nochmals besten Dank, Du hast mich vor den schrecklichsten Träumen bewahrt.

Ein sonnenstrahlender Morgen begrüsste um 6 Uhr das Doppelquartett zur Tagwache. Alle frohen Mutes ziehen wir, vorerst die Hölzer noch auf dem Rücken, da die letzten sonnigen Tage den Schnee schon weit hinauf vertrieben haben[,] den Waldweg hinaus, bis zum Waldrand. Erst auf 1200m werden die Ski auf steinhartem Schnee angeschnallt, die winterliche Bekleidung bei der schon am morgen früh herrschenden Wärme entledigt und im Bummeltempo geht’s ohne die kleinsten Skispuren zu hinterlassen, über die ausgedehnten Alpen von Untersäss bis zu den obersten Hütten der Malbunalp. Bei kurzer Rast mit Schneeballkrieg daselbst, geniessen wir den werdenden Tag. Der schöne Ausguck über die Waldwipfel in’s Tal hinunter, das verklärte Visavis, das Massiv der drei Schwestern in frischem Morgenglanze fesselt alle. Um die Fernsicht noch besser zu geniessen[,] traversieren wir noch einige Halden. Höher u. höher steigen die einzelnen Gruppen. Gegen 10 Uhr lagern alle im Kreise auf dem ausgesuchten Sattelpunkt Sisitzgrat [Sisizgrat] am Fusse vom Margelkopf u. Glanaköpfe [Glannachopf]. Ein guter Znüni stärkt uns auf den letzten Teil des Aufstiegs. Wir haben unser Ziel[,] den zuckerigen blendend weissen Kegel, die Rosswies mit dem ganzen Aufgangstrace direkt vor Augen und manchem, dem das wunderbare Znüniplätzli allzugut gefallen wollte, musste zur Einsicht kommen, dort oben ist es noch schöner. Im Hui hangen schon 7 Mann an verharschter Halde[,] und im vorsichtigen Tempo wird die kurze Abfahrt genommen. Ein Teilnehmer zieht es vor[,] als Wache vom Siestaplätzli zurückzubleiben, auf letzterem auch wir Säcke und überflüssige Kleider abgelegt hatten. Nach 5/4stündigem Aufstieg in geschlossener Gruppe, gelangen wir in kleinen Serpentinen auf Rosswiesgipfel 2335m 12½ Uhr an; Ueberrascht [sic] von der aussergewöhnlichen Rundsicht.

Immer u. immer wird man vom erhabenen Gefühl überwältigt, am hohen Ziel scheinbar alles zu seinen Füssen zu haben, um die Königin des Welttalls [sic] über sich auf das bare Haupt strahlen zu lassen.

Keine Worte sind beim ersten Anblick zu finden, drum geniesst jeder für sich mit erhobenem Herzen allein. Allmählich wird orientiert, die nächste Umgebung genau betrachtet, nach Osten den verwitterten Faulfirst mit seinen scharfen Schattenkantenen [sic] in den Schneemulden, nach Südosten ziehen die verzackten Gräte mit den Gärtliköpfen, hinter diesem, die höchste Spitze der umliegenden Gipfel der Alvier, welcher heute auch Sonntagsbesuch hat. Hinter diesen Kulissen die herrlichen, unzähligen Spitzen mit den bekannten Massiven der Bünder u. Vorarlberge. Nach Süden ein senkrechter Absturz von beinah 600 m auf die schön gebettete Sen[n]isalp, drüben über dem Seeztal das günstige Skigebiet von Flumserberg u. Spitzmeilengebiet. Links davon der vielbesuchte Pizol, wo unsere Clubfreunde auch all das Schöne geniessen. Die Fernsicht ist so klar, dass wir von blossem Auge Spuren über den Gletscher wahrnehmen können. Hinter u. nebeneinander türmen sich all die Bekannten auf, Sardona, Segnes[,] Ringelspitze, Vorab[,] Tödi u. viele andere.

Der westliche Abschluss bildet der wilde Gamsberg, nördlich erhebt sich majestätisch unser Säntis hinter ihm das Flachland u. der Bodensee im leichten Dunstschleier verhüllt. Der Abschied von all diesen Schönheiten wird nach Möglichkeit hinausgeschoben, trotzdem die günstige Abfahrt mit dem erweichten Schnee genussversprechend wird. Einige Volkslieder und Jodler ertönen noch in die vollständige Windstille hinaus. Als die letzten Töne „Ihr Berge lebt wohl“ als Abschiedsgruss von All geschautem verklungen sind, fährt bereits der Erste mit kühnen Schwüngen den Kegel hinunter. Alle folgen miteinander nach, bewegtes Leben setzt am Hange ein, hat’s doch jeden im ersten steilen Teil, nach gewohnter Art hingelegt. Eine rasende Abfahrt wäre doch etwas verwegen gewesen, da die Beschaffenheit des Schnees nicht ungünstig, aber doch ungleich war. So wendete jeder seine bewährte Technik an, und nur zu bald sind alle in der Mulde vor der Gegensteigung zum Ruheplätzli. Es war eine schöne Abfahrt. Ein Blick rückwärts zeigt unsere Spuren, durch diese wird das flächige Gelände interessanter. Der zu traversierende steile Hang wird genau vertikal von der Mittagssonne beschienen, so dass der kurze Aufstieg die einzige Strapaze des ganzen Tages wurde. Oben finden wir den Wachposten auf seinem Platz. Mit Hochgenuss hat er die Abfahrt verfolgt und während unserer Abwesenheit den fast schneefreien Margelkopf bestiegen. Es folgt ein Lagerleben nach alter Art, die raffiniertesten Leckerbissen werden da gekostet, trotz aller Einschränkungen durch den gewaltigen Krieg, dessen Stimme durch fernes dumpfes Dröhnen grosser Geschütze, bis an unser Ohr hier oben in den freien Bergen rühren mag. Auch unsere Unterhaltung lenkte auf kurze Zeit auf das gewaltige Völkerringen ein, aber den Schuldigen allen Unheils konnten wir auch nicht ermitteln.

Um ½4 Uhr wurde zur Thalfahrt [sic] aufgebrochen. Bei der ersten Abfahrt vom Sattel hat unser Wachtoffizier durch einen Sturz eine leichte Verstreckung sich zugezogen, konnte aber nach kurzer Zeit, nun auch etwas sachte, die Weiterfahrt mitmachen. Auf dem leicht erweichten Schnee laufen die Hölzer rasend, oft des Guten zu viel. Schattenhalb blieb der Schnee hart, was die Abfahrt etwas beeinflusste. Eine Skispitze hat trotz guter Führung halbwegs ihren Anforderungen nicht mehr Stand gehalten, ist aber von unserem Tourenchef in meisterhafter Weise rasch repariert worden. Nur allzubald ist [es] mit der schönen Abfahrt zu Ende. Wir stehen mit unseren Hölzern plötzlich auf dem trockenen Rasen, über diesen wir mit schwerfälligem Skitritt spazieren, um den letzten Teil der Abfahrt durch den Wald zum Kurhaus noch auszunützen. Ungern werden die Hölzer wieder auf die Schultern genommen und im Tempo geht’s unter Ausnützung aller Abkürzungen die Halden u[nd] Hohlwege hinunter in den Buchenwald[,] dessen Kühle sehr wohltuend auf den erhitzen Köpfen wirkte. In Buchs reichte die Zeit noch für eine kleine Stärkung. Der 6 Uhr Zug von Sargans brachte einen ganz besetzten Wagen sonn[en]verbrannten [sic] Gesichter, meistens Clubfreunde von der Heimfahrt vom Pizol. Ein jeder von uns fand auch noch ein Plätzli im gleichen Wagen, in welchem nun ausschliesslich junge Männer mit hohen gleichen [sic] Sinn für die schöne Bergeswelt beisammen sind und das gesonnte Herz im schönen Liede jubeln lassen. Für uns alle war der heutige Tag ein hoher Feiertag, als schöner Abschluss der Winterwanderungen auf Skiern. Im Besonderen möchte ich unser heutiges Ziel, die Rosswies[,] ein höchst günstiger Skiberg, leicht bis zum Gipfel mit dem Hölzern erreichar, mit Rund- u. Fernsicht wie uns kein Appenzeller u. anderer St.Gallerberg mehr bieten kann, nur bestens für die nächsten Winter empfehlen. Eventl. Unterhandlungen unserer Sektion mit dem Kurhaus- u. Pensionsbesitzer auf dem Buchserberg würde vielleicht zu einem Abschluss betr. Schlafgelegenheit zur Winterszeit auf ca 1000 m Höhe führen, was die Tour sehr erleichtern würde.

Ein letzter Gruss u. Händedruck am Bahnhof[,] und einzelne Gruppen ziehen noch zu einem Trunk, oder direkt an ihren heimischen Herd, Alle voller Bewusstsein[,] den Schatz[,] den sie von den Bergen mitgebracht[,] im Herzen tragen, hilft wieder über manchen Stein im Alltag hinweg und zehren heute noch von dem unerfasslichen Kleinod.

St.Gallen im Mai 1916                Fritz Küpfer.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 023 (SAC St.Gallen; Bericht über die Clubtour auf Rosswies am 1. und 2. April (Text), Titelblatt des Tourenberichts mit einer Zeichnung von Fritz Küpfer (Bild))

 

 

Jugendliche beim Baden, ca. 1919-1921

Mittwoch, 8. März 1916 – Die „Freundinnen des schönen, gesunden Sports“

Am Fasnachtssonntag, dem 5. März, hatte der Damenschwimmclub St.Gallen zu einer Propagandaveranstaltung eingeladen. Im Volksbad in St.Gallen zeigten die Mitglieder des Vereins ihre Künste. Das Tagblatt berichtete erst einige Tage später über den Anlass:

Schauschwimmen des Damenschwimm-Klubs St.Gallen

Der Einladung des Damenschwimm-Klubs St.Gallen zu einem Schau- und Werbeschwimmen im Volksbad waren die Freundinnen des schönen, gesunden Sports in grosser Zahl nachgekommen. So wird gewiss auch der Zweck der Veranstaltung erfüllt werden: die Freude am Schwimmen zu fördern und dem jungen Verein neue Mitglieder zuzuführen.

Zur Eröffnung gab die Leiterin einige Aufklärungen über die Entstehung des Klubs, der vom August 1912 bis zum Dezember 1915 in Verbindung mit dem Herrenschwimmklub arbeitete, jetzt aber als selbständiger Verein den Schwimmsport weiter fördert und auch die Jugendriege leitet. In St.Gallen bietet sich ja besonders gute Gelegenheit, im Sommer und im Winter diese gesundheitsfördernde Bewegung auszuüben. Schon beim Anschwimmen der jungen Mädchen und Damen konnte man sich über die stattliche Zahl der Teilnehmerinnen freuen und wurde gewahr, dass sich alle der Sache mit Freude hingeben. Ein hübsches Bild boten dann die Reigen mit Präzision, Disziplin und ruhigen Bewegungen ausgeführt; sie wiesen auch einige hübsche Figuren auf und gefielen sehr. Es folgten dann die Wettschwimmen, die einige vorzügliche Resultate ergaben. Mit eifrigem Interesse wurde das Sekundentauchen verfolgt, ebenso wie das Tellersuchen. Die tüchtigen Schwimmerinnen, die mehr als eine Bahnlänge unter Wasser zurücklegten und diejenigen, die alle Teller vom Grund des Bassins heraufholten, wurden mit lebhaftem Beifall begrüsst. Als Einlage wurde ein fröhliches Ballspiel gemacht und dann kam die Reihe wieder an die jungen Mädchen. Zwanzig an der Zahl tummelten sich lustig im Wasser beim Fangspiel und erfreuten die Zuschauer durch ihre sichtliche Freude, ihre jugendliche Kraft betätigen zu können. Auch beim Springen waren sie ganz in ihrem Element. Unter der Gruppe der Damen wurde besonders eine Springerin, die den Kopfstand und andere Akrobatenkünste vorzüglich ausführte, lebhaft beklatscht. Zum Schluss wurden einige Rettungsübungen gemacht, die praktischen Wert haben. Grosse Heiterkeit erregte die komische, pantomimische Szene, die ganz in den Faschingssonntag hineinpasste, in deren Verlauf Studentlein mit ihren Mädchen beim Bootfahren umkippten und des Schwimmens unkundig von tüchtigen Schwimmerinnen gerettet wurden.

Die Veranstaltung durfte die Leiterinnen und die Teilnehmerinnen vollauf befriedigen; für die Zuschauerinnen, namentlich für die grosse Zahl derer, die keinen Sitzplatz hatten, war sie etwas lang.

Damenschwimmclub

Weitere Informationen zur Geschichte des Damenschwimmclubs St.Gallen finden sich im Buch von Iris Blum: Frauen schwimmen … und schlagen Wellen. Der Damenschwimmclub St.Gallen. Zürich 2010.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (Artikel in: St.Galler Tagblatt, 76. Jg., Nr. 57, 08.03.1916, Morgenblatt; Anzeige in: Nr. 53, 03.03.1916, Abendblatt) sowie W 054/69B.20.22 (Beitragsbild: Jugendliche beim Baden, ca. 1919-1921)