Verpflegung

Dienstag, 27. Februar 1917 – Soldatensprache: Verpflegung

Beitragsbild: Füs Bat 79 (Füsilier Bataillon 79) im Winterdienst im Oberengadin, 1915/16, Feldküche auf Schlitten

Der Vortrag von Heinrich Zogg zur Soldatensprache erschien in mehreren Folgen (vgl. Beiträge vom 8. und vom 9. Februar). Nachdem es zunächst um die Ausrüstung des Soldaten gegangen war, widmete sich der Autor der Verpflegung:

Die Neuschöpfungen erhalten dort, wo es sich um die Ernährung handelt, eigenartiges Gepräge. Wenn die Liebe des Mannes durch den Magen geht, so ist auch die Dienstfreudigkeit stark abhängig von der Verpflegung; hängt doch vom guten oder “schlimmen” Essen weit mehr ab, als auf den ersten Blick erscheint. Ich hörte wenig klagen, und das gesunde Aussehen würde die Kläger Lügen strafen, trotzdem sind aber die Ausdrücke oft reichlich grob beschaffen.

Der Kaffee am Morgen heisst: Bundesbrüh, Gluriwasser, Grampolwasser, Abwäschwasser, Schweisssockebrüh, Nagelbrüh, wenn von “Gülle” gesprochen wird, schlägt die Stimmung schon gereiztere Formen an [sic]. Geringer Gunst erfreute sich früher der Kakao: Abwäschwasser, Seifewasser, Ziegelwäschete, Negerschweiss zeugen dafür; als Abwechslung ist er trotz alledem hochwillkommen.

Des denkbar besten Rufes erfreut sich mit Recht unser vorzügliches Brot; seine Güte wird kaum angefochten; über Form und Grösse sind die Meinungen verschieden: Wegge, Bundesgugelhopf, Arbeitergugelhopf, Magetrost, Soldatewohl, Bundesziegel, -tirggel, Zahplombe; jeder Ausdruck verrät “wohlgesinnte Vertilger”. Auf Vorposten im Hochgebirge entstand das Wort “Gemseeier”. Die Suppe, nebst dem Brot das begehrteste und beste Nahrungsmittel, tauften die Leute sehr abweichend. Süppli, sagt der Hungrige; Schnalle ist gang und gäb, ohne die geringste Nebenabsicht. Dräckschnalle, Sauschnalle schimpfen die Nimmersatten. Harzwasser und Magenwasser stamen aus der Zeit des Pionierdienstes. Für Handlangerpflume, Soldateeier, Hännevogeleier sagen wir sonst Erdäpfel, noch öfter “Hörpfel” [Kartoffel]. Nudeln und Makkaroni sollen nach Bächtold [Schweizer Sprachforscher, s. Hinweis] als Kanone- und Zementröhre, als Treubruchnudle bezeichnet werden. Bei uns war die Esserei stets so rege, dass ich keine besondern Benennungen erlauschen konnte. Die Einbildungskraft des Soldaten hat sich von jeher mit dem Spatz befasst. Es heisst nicht “Fleisch fassen”, sondern “Spatzen fassen”. Hartes, zähes Fleisch heisst Negergummi, Sohlleder, Kautschukplätz; en Hüspatz ist von einem Ross [Pferd]. Sind die Stücke gar zu klein, ist’s en Photographiespatz, en Ibildigsspatz [Einbildungsspatz], e Zahplombe, weil damit gerade ein hohler Zahn gefüllt werden kann. Um anzudeuten, wie klein die Spatzen geraten sind, sagt wohl einer zum andern: “Pass uf, heb de Spatz, i muess schnufe”; wer zwei “wegdrückt”, wird gefragt: Was, witt zur Kavallerie? Hesch d’Sohle durglaufe? Witt en Regemantel mache? Hesch im Sinn, de Füchse zlegge (ködern)? usw.

Eine eigenartige Verkleinerung enthält auch der Ausdruck: Hüt hemmer e Photographie vonere Ahnig (Ahnung!) zfresse = kleiner, dünner Käse. Der Lichtbildnerei sind auch die “Schattebilder” entlehnt, womit dünne Kässchnitten gemeint sind. In das gleiche Stoffgebiet gehören: Kommandokäs, Arrestantenfänger, Magenärger. 1914 und auch später war es aus an und für sich selbstverständlichen Gründen verboten, die Zwischenverpflegung, wozu eben meist der Käse dient, ohne besondern Befehl einzunehmen. Gab’s dann unvermutet “Käseinspektion”, so wurde rasch Güterteilung vorgenommen, oder wenn dies nicht mehr möglich oder ratsam erschien, musste halt ein Bundes-Freitag mit in Kauf genommen werden.

Hinweis: Mit “Bächtold” ist vermutlich Hanns Bächtold-Stäubli (1886-1941) gemeint, der 1916 ein Bändchen mit dem Titel “Volkskundliche Mitteilungen aus dem Schweizerischen Soldatenleben” publiziert hatte.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 945 (St.Galler-Blätter für Unterhaltung und Belehrung aus Kunst, Wissenschaft und Leben, Illustrierte Sonntagsbeilage zum St.Galler Tagblatt, N. 9, 1917) und W 131/3.33 (Beitragsbild, Legende s. oben) sowie W 132/2 (Bild: Geb Sch Bat 8 (Gebirgs Schützen Bataillon 8) im Aktivdienst 1914-1918)

 

Samstag, 24. Februar 1917 – Gemüse für die Armee

Die Armee brauchte nicht nur dringend Fleisch (vgl. den Beitrag zum 17. Februar), sondern auch Gemüse. Im St.Galler Bauer vom 24. Februar 1917 publizierte die Schweizerische Armee-Konservenfabrik in Rorschach deshalb folgende Anzeige:

Transkribiert heisst das:

Die Hauptsache ist:

Sicherer Absatz und Verdienst.

Wer etwas aus dem Gemüsebau erzielen will, ohne grossen Zeitverlust für Marktfahrten, ohne Preissturz-Risiko, ohne Aufwand für Körbe, Säcke, Frachtspesen usw. bestellt Saatgut u. Setzpflanzen rechtzeitig und liefert an die

Schweiz. Armee-Konservenfabrik in Rorschach.

Die Armee-Konservenfabrik ging später über die Firma Roco, bekannt für ihre Ravioli.

Preisliste

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 248 (Inserat: St.Galler Bauer, 4. Jg., Heft 8, 24.02.1917) und Wy 025 (undatierte Preisliste, Titelblatt und Rückseite der Broschüre)

Anzeige Metzger

Freitag, 23. Februar 1917 – Fleischlose Tage

Hedwig Haller, die Telefonistin aus St.Gallen (vgl. Beitrag vom 11. Februar), notiert am 24. Februar in ihr Tagebuch:

Dienstag & Freitag haben wir nun fleischlose Tage. Für Zucker & Reis gibt’s Karten, das Brot darf nur noch 1 Tag alt verkauft werden & kostet 30 cts per Pfund. Die übrigen Lebensmittel werden immer noch teurer. –

Verbot, frisches Brot zu verkaufen

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Quellen: Privatbesitz (Tagebuch Haller, Transkription: Markus Kaiser) und P 909 (St.Galler Tagblatt, 27.01.1917, Abendblatt, Anzeige; und 14.02.1917, Abendblatt, Mitteilung der Fürsorgekommission)

Mittagsmenu bei Thuerlemann

Donnerstag, 22. Februar 1917 – Porträt einer Haushälterin

Caroline Wick war verwandt mit Architekt Johann Baptist Thürlemann und seine langjährige Haushälterin. Sie kommt im unvollständig erhaltenen Tagebuch recht häufig vor. Die Einträge beschreiben, welche Arbeiten in einem Haushalt zu erledigen waren, wieviel Mühe und Aufwand sie zu dieser Zeit kosteten und was man in der Freizeit machte:

Caroline kochte (den Einträgen nach zu schliessen sehr gut!). Caroline ging in die Kirche und besuchte Beerdigungen. Caroline putzte und scheuerte. Caroline hatte Wäsche. Caroline machte Besorgungen und Botengänge. Caroline arbeitete im Garten. Caroline räumte den Keller auf. Caroline nähte. Caroline pflückte (auch sonntags) pfundweise Himbeeren im Wald. Caroline besuchte Kranke im Dorf. Caroline hatte mindestens ein Bankkonto mit einer Einlage von 2000 Fr., was ihr jährlich 75 Fr. Zins einbrachte (laut Tagebucheintrag vom 11. Januar 1905). Caroline machte Heimarbeit. Caroline bügelte. Caroline verwaltete das ihr zur Verfügung gestellte Küchengeld. Caroline half den Nachbarn beim Heuen. Und ab und zu stritt sie sich auch mit der Nachbarin.

Im Tagebucheintrag vom 22. Januar 1917 ging es um ihre Kochkünste:

[…]

Gegen ¾ 12 Uhr erschien mein Bruder Ludwig zum Mittagessen.

Es wurde aufgetischt:

Griessuppe mit Bouillon;

Schweinsvoressen (vortrefflich) mit gestossenen Kartoffeln und Aepfelmus. Getränk: Wein.

Ich hatte durch Caroline vormittags im «Hirschen» ½ Liter Rothwein holen lassen & erhielt denselben gratis.

Das heutige Mittagessen war sehr gut.

Ludwig kehrte um ½ 2 Uhr in den «Hirschen zurück.»

[…]

Inserat SchuerzeEs ist nicht bekannt, wie genau Caroline sich für ihre Arbeit kleidete, praktisch wäre wohl so eine Träger-Blusen-schürze gewesen, wie sie hier von der Firma Julius Brand & Co. in St.Gallen als Teil der Frühjahrsmode 1917 angepriesen wurde.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 035a (Tagebuch Thürlemann) und P 909 (St.Galler Tagblatt, 16.02.1917, Abendblatt)

Anzeige im St.Galler Bauer

Samstag, 17. Februar 1917 – Fort mit diesen unrentablen Heu-fressern!

Mehr Schlachtvieh für die Armee!

Werte Landwirte!

In den denkwürdigen Tagen des August 1914 wurde die Organisation der „Schlachtviehlieferung an die Armee“ geschaffen und damit einer planlosen Abschlachtung unserer Nutz- und Zuchtviehbestände Einhalt geboten. Unberechenbarer Schaden konnte damit abgewendet werden. Die Reserven unseres Landes blieben erhalten. Sie haben seither viel zur Erhaltung unserer Selbständigkeit beigetragen und dem Bauernstand eine gesicherte Existenz und ein schönes Einkommen ermöglicht. Unser Aussenhandel fand in unserm Viehexport seine beste Stütze.

Seit Kriegsausbruch gingen die Preise in die Höhe. Die Fleischvorräte werden zusehends knapper, weil die Zufuhren von aussen immer seltener werden und die Kraftfuttermittel für eine richtige Mästung fehlen. – Es wurde kein Schlachtvieh exportiert. Die Vertreter des Metzgergewerbes konnten sich an allen Orten davon überzeugen. Trotzdem ist das Angebot knapp, wie noch nie; der Bedarf der Armee aber wächst wegen vermehrtem Truppenaufgebot. Wir richten den dringenden Appell an Sie, alles verfügbare Schlachtvieh der Armee zu reservieren. Es sind eine Menge Stiere vorhanden, die am vorteilhaftesten an die Schlachtbank geliefert würden. Die Zuchtstierzwischenschauen reden eine deutliche Sprache. Die Zahl der unträchtigen, minderwertigen Kühe ist noch gross. Fort mit diesen unrentablen Heufressern! – Die Armee zahlt gute Preise!

Wendet Euch an die Ortskommissäre! Rüstet Euch auf die kommende kritische Zeit des Frühjahrs! Wenn das Schlachtvieh nicht ausreicht, kommt das Nutz- und Zuchtvieh dran! Die Folgen müssten auch beim inskünftigen Export spürbar werden!

Vorab geht die Versorgung der Armee! Hier gilt es, den vaterländischen Sinn zu betätigen.

Anfang Februar 1917.

Verband ostschweiz. Braunviehzuchtgenossenschaften.

Verband landw. Genossenschaften des Kantons St.Gallen und benachbarter Gebiete.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 248 (Text: St.Galler Bauer, 4. Jg., Heft 7, 17.02.1917; Inserat: St.Galler Bauer, 4. Jg., Heft 3, 20.01.1917)

Fastnacht

Donnerstag, 15. Februar 1917 – Fasnachtstreiben

Polizeiliche Bekanntmachung

betreffend die

Fastnacht-Anlässe 1917.

Gestützt auf den Regierungsratsbeschluss vom 30. Dezember 1916 wird bekanntgegeben:

  1. Oeffentliche Tanzanlässe sind nur Samstag, den 17., Sonntag, den 18. und Dienstag, den 20. Februar gestattet. An diesen Tagen darf bis morgens um 3 1/2 Uhr getanzt werden. Um 4 1/2 Uhr müssen alle Wirtschaftsräumlichkeiten von den Gästen geräumt sein.
  2. Für Theateraufführungen, musikalische Unterhaltungen und Vereinsanlässe mit Tanz in geschlossener Gesellschaft wird bis morgens 3 Uhr Freinachtbewilligung erteilt, mit der Weisung, das Tanzen bis 2 1/2 Uhr zu beendigen.
  3. Kleine Wirtschaften ohne Saal erhalten während der Fastnachtszeit Freinachtbewilligung bis morgens 2 Uhr für einen Anlass.
  4. Maskengehen und Maskeraden jeder Art (Maskenbälle, öffentliche und in geschlossener Gesellschaft), Fastnachtumzüge, Konfettiwerfen, Abbrennen von Feuerwerk auf öffentlichen Strassen und Plätzen, Bockabende, Kappenfeste und ähnliche Veranstaltungen sind verboten.

Das Herumgehen kostümierter Kinder ist Fastnachtsonntag und -dienstag zur Tageszeit gestattet.

Den Serviertöchtern ist das Tragen von Kostümtrachten in ihren Wirtschaftslokalen bewilligt.

Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden mit Polizeibusse von Fr. 5. bis auf Fr. 150.- bestraft.

St.Gallen, Bruggen, St.Fiden, den 14. Februar 1917.

Die städtische Polizeidirektion.

Das Polizeikommissariat Straubenzell.

Das Polizeikommissariat Tablat.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (St.Galler Tagblatt, 15.02.1917, Abendblatt, Bekanntmachung und Anzeige Kinderfasnacht; Beitragsbild: 14.02.1917, Abendblatt)

Mutter schneidet Brot, ca. 1921

Mittwoch, 14. Februar 1917 – Kein frisches Brot mehr

Im St.Galler Tagblatt erschien an diesem Tag die Meldung, dass ab 15. Februar kein frisch gebackenes Brot mehr verkauft werden durfte. Die Massnahme hatte ihren Grund darin, dass altbackenes Brot länger gekaut werden muss. Das führt schneller und nachhaltiger zu einem Sättigungsgefühl und schränkt so den Verbrauch ein:

Verbot des Verkaufes von frischem Brot.

Laut Bundesratsbeschluss vom 2. Februar 1917 ist es vom

15. Februar

an verboten, Brot und Kleinbrot mit Einschluss jedes Hefengebäcks (Kuchen ausgenommen) am Tage in den Verkehr oder zum Verkauf oder überhaupt zur Abgabe zu bringen, an dem es gebacken wurde.

In den Verkaufsläden darf Brot, Kleinbrot und Hefengebäck an dem Tage, an welchem es erstellt wurde, nicht zur Auslage kommen.

In sämtlichen Bäckereien und Konditoreien, einschliesslich Nebenbetrieben wie Hotel- und Anstaltsbäckereien, dürfen von abends 11 Uhr bis morgens 7 Uhr – und zwar auch vom Samstag auf Sonntag – keinerlei Arbeiten ausgeführt werden, welche auf die Herstellung von Backwaren jeder Art Bezug haben.

In dringenden Fällen ist das schweiz. Oberkriegskommissariat ermächtigt, ausnahmsweise die Zeit des Arbeitsunterbruches von 8 Stunden zu verschieben oder zu verkürzen.

Zuwiderhandlungen werden mit Busse von Fr. 25.- bis zu Fr. 10,000.- oder mit Gefängnis bestraft und können ausserdem die gänzliche oder teilweise Sperrung der Mehllieferungen nach sich ziehen.

St.Gallen, den 14. Februar 1917.

Die gemeinsame Lebensmittel-Fürsorge-Kommission.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (St.Galler Tagblatt, 14.02.1917, Abendblatt) und ZMA 18/07.00-24 (Ausschnitt aus einer Ansichtskarte aus der Reihe «Schweizer Heimatschutz», Serie 36, 1921)

Briefkopf, Ausschnitt, 1916

Sonntag, 11. Februar 1917 – Kohlennot

[…] die Kohlennot ist so gross, dass das Gaswerk allen Abonnenten den Gasverbrauch vorschreibt. Die Reduktion ist so beträchtlich, dass Alles wieder die alten Petrollampen hervorholt. – Eine Freude ists, dass auch die Wirtschaften früher schliessen müssen.

Hedwig Haller (1884-1963), aus deren Tagebuch das obige Zitat stammt, wuchs am St.Galler Marktplatz auf. Dort betrieb ihr Vater eine Flaschnerei (Spenglerei). Die aus Württemberg stammende Familie war 1886 eingebürgert worden. Hedwig hatte den «Talhof» besucht und arbeitete als Telefonistin in der St.Galler Hauptpost.

Der Beruf der Telefonistin, resp. der Telegraphistin, entwickelte sich ab 1870 zu einem reinen Frauenberuf. Es war eine der wenigen schicklichen Erwerbstätigkeiten, die Frauen zu dieser Zeit überhaupt ergreifen konnten. Verdienen konnte man damit allerdings nicht viel: Die Frauen wurden «als Hilfskräfte eingestellt und entlöhnt». In einer 1992 erschienenen Dissertation heisst es: «Trotz Anstrengungen der PTT seit 1986 wegen Personalmangels auch Männer als Telefonisten einzustellen, arbeiten heute erst sehr wenige Männer in diesem ‹Beruf mit Zukunft›.» (Zitate aus: Bühlmann, Yvonne und Zatti, Kathrin. «Sanft wie eine Taube, klug wie eine Schlange und verschwiegen wie ein Grab …». Frauen im schweizerischen Telegrafen- und Telefonwesen 1870-1914, Zürich 1992, S. 33)

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Quellen: Privatbesitz (Tagebuch Haller, Transkription und Hinweis zur Autorin: Markus Kaiser) und Staatsarchiv St.Gallen, ZMH 43/005a (Beitragsbild: Ausschnitt aus Briefkopf der Kohlenhandlung Josef Anton Ackermann aus Mels, 1913)

Soldaten mit Gewehr

Freitag, 9. Februar 1917 – Soldatensprache: Ausrüstung (Teil 2)

Auszug aus einem Vortrag von Heinrich Zogg, gehalten in der Gesellschaft für deutsche Sprache, St.Gallen. Nach einer Einleitung (s. Beitrag vom 8. Februar) geht es in diesem ersten Artikel vor allem um die Ausrüstung eines Soldaten:

Das Gewehr lockt förmlich zur Taufe mit allerlei Gradmessern der Stimmung: Schüssbängel, Schrotguge, Kläpfschitt, Füsibängel, Charst, Sprützgügeli verraten die Stimmung auf leichtem Marsche, vor dem Exerzieren, auf Einzelgängen, auf Posten, beim Beobachtungsgang im Gelände, wo zwischen Waffe und Mann eine fast herzliche Freundschaft besteht, die durch nichts getrübt wird. “Chlobe”, “Galgecharst”, “Prügel”, “schwäre Chog” deuten an, dass Drill oder tüchtiger Marsch “vorbei” sind.

Sehr gemischt sind die Gefühle und Ausdrücke gegenüber der Patrone. Im Stande und während der Schiessübungen erfreut sie sich grosser Gunst; da heisst sie: Chügeli, Bäbeli, Böhnli, Magrönli, und mancher schaut sie zärtlicher an als daheim seine Frau. Hat man sie aber den ganzen langen Dienst mit 120 andern auf dem Buckel herumgetragen dann klingt es unmanierlicher und wegwerfend: Bohne, Magrune, Soldatenbedrücker, Bleizäpfe oder einfach “Chöge”.

Die neue Patronenschachtel aber heisst: Stümpechischtli [Zigarrenkiste], Komödli, Molidruge (Malschachtel), Bibelchästli, Testamentsgöfferli [Testamentsköfferchen]; nach beschwerlichem Marsche aber “Mistschachtle”. Wie unhöflich!

Das Seitengewehr, das Bajonett, heisst Käsmesser, obwohl es eine Kunst wäre, damit Käse schneiden zu wollen. Seitdem aber die Soldaten nur noch “Photographien” fassen, wovon später die Rede ist, stirbt der Name vermutlich aus. Gertel, Chrutmesser (wohl in seliger Erinnerung an das Postenleben an der Baslergrenze, wo tatsächlich “Chrut” gestochen worden ist), Zahnstocher, Spiess, Chrottestecher, Schwert, lauten andere Namen. “Tschinggegertel” wurde es benannt, nachdem wir auch an der Südgrenze standen. [Hinweis: Als “Tschingge” bezeichnete man in der Schweiz über Jahrzehnte hinweg italienische Einwanderer.]

Das Sackmesser ist rundweg “de Chlobe” (recht breites, langes o), de Hegel, de Spatzespiess, Brotschär. In Andeer gab’s oft scharfe Messerinspektion und nicht so selten Aufenthalt in der Augenklinik, das Messer wurde darum von einigen “Arrestgötti” genannt. Damit will ich von der Ausrüstung übergehen zur Verpflegung, nur das Wort “Kuraschibinde” soll noch erwähnt werden. Ein “Herr” hatte nämlich die Gewohnheit, vor jeder Uebung die Wadenbinden anzuziehen, wir nahmen an, damit er besser springen konnte. Ein Spassvogel aber sagte: “Er muss de Kuraschi [von “le courage” für französisch “der Mut”] zsämmebinde.”

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 945 (St.Galler-Blätter für Unterhaltung und Belehrung aus Kunst, Wissenschaft und Leben, Illustrierte Sonntagsbeilage zum St.Galler Tagblatt, N. 6, 1917) und ZOA 001/8.002 (Beitragsbild: Soldaten mit geschultertem Gewehr, zwischen 1914 und 1917)

Truppeninspektion

Donnerstag, 8. Februar 1917 – Soldatensprache: Ausrüstung (Teil 1)

Beitragsbild: Inspektion von St.Galler Truppen im Beisein von Generalstabschef Oberstkorpskommandant Theophil Sprecher von Bernegg, zwischen 1914 und 1917

Auszug aus einem Vortrag von Heinrich Zogg, gehalten in der Gesellschaft für deutsche Sprache, St.Gallen. Nach einer Einleitung geht es in diesem ersten Artikel vor allem um die Ausrüstung eines Soldaten:

[…]

Wer über Soldatensprache schreibt, muss beim Leser zu voraus um Entschuldigung und Nachsicht bitten, denn fein-anständig sind viele der Ausdrücke gerade nicht, scheint doch mit dem Anziehen der Uniform auch ein neuer, viel schwererer Sprachgeist mitangezogen zu werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Kriegshandwerk kaum jemals veredelnd auf Wort und Satz eingewirkt hat, wohl aber eine arge Verrohung des Ausdrucks förderte. Der Soldat verlangt nicht nur für seinen Magen kräftige Kost; mit dem Dienstantritt muss auch alles andere sich an die neuen Verhältnisse anpassen, also auch die Sprache. Es ist im Dienste nicht gestattet, immer so zu reden, wie man denkt; ist aber der “Kropf” zu voll, dann hören wir eben die für den Fernstehenden so eigenartig klingenden Ausdrücke und Wendungen, die oft blitzartig auftauchen, Beifall finden oder auch ebenso rasch wieder verschwinden. Häufig sind sie nur einer kleinen Gruppe bekannt, schon im Zug und in der Kompagnie bürgern sie sich schwerer ein; je eigenartiger, bodenständiger, unverfälschter sie klingen, je witziger und treffender sie sind, um so eher bleiben sie erhalten.

[…]

Der Soldat hat “Gondeli”, “Dampfschiffer”, “Ledischiff”, “Finken” an den Füssen; Bundesfinken, auch wohl Bundesschlitten, Weidlig oder Pontons heissen die unbezahlten, vom Bunde gelieferten Schuhe.

Die Uniform trägt die verschiedensten Namen; s’Häsli, Gwändli, Kluft, ‘s blau (grau) Tuch-Kostüm; gegen das Dienstende hin “Saufetze”.

Die Hose scheint dem Witze wenig Anhaltspunkte zu geben; ich hörte nur den Ausdruck “Gasfänger”. Zahlreicher bedacht wird aber der Waffenrock: Chute, Frack, Tschöpli, Zwangsjacke, Gstältli, Bundesjacke. Die 1914 verwendete Ueberbluse, die heute Futterdienste versieht, war als “Schnuderlumpe”, Chutte, Kuchischoss [Küchenschürze], Staublumpen, Vächschicklergwändli, Ströflingshemp, Kundittörtschope [Konditorjoppe] stets ein Opfer des Soldatenspottes. Recht verschieden und teils sehr treffend benennt der Soldat das Käppi: Kriegshut, Kriegszylinder, Schlachtehut, -zylinder, Kriegshube [Kriegshaube], Helm, Fürwehrhut [Feuerwehrhut], Sturmhube, Hunghafe [Honighafen], Nagelchischtli, Verdrusschaschte, Verschlussgöfferli [Verschlussköfferlein]; “Goggs” sagt schon der “Lehrbueb”, der Rekrut. “Glühofe” [Glühofen], “schwere Chaib“, “heisse Chog” hört man nach der fünften Marschstunde oder am Montagmorgen, wo mit schlecht verhaltener Schadenfreude der Kamerad den “Oelhafen” lüftet und nachschaut, ob der Boden noch nicht “angebrannt” sei. Böse Zungen wollen bemerkt haben, dass am Montag “Käppi abnehmen gestattet”, am häufigsten befohlen werde!

Der Leibgurt heisst natürlich Ceinture, Ceinturon, unter uns aber sprechen wir von: Hungerrieme, Schwimmgurt, Magebremse, Henkerrieme; “Hungerbarameter istelle” bedeutet, “den Riemen enger ziehen”. Völkerkundliche Kenntnisse verrät der Mann, wenn er von einem “Hottentottengurt” spricht

Ueberreichlich mit Namen bedacht wird der Tornister, und je nach Lage und Zeit sind sie verschieden. Während der Auslegeordnung sind: Köfferli, Bundesdrückli, Husiererchaschte [Hausiererkasten], Oergeli, Chuchikästli (in Moantlinger [Montlinger] Dialekt), Möbelwage, Vergissmeinnicht, d’Frau, d’Schwiegermuetter gebräuchlich. Verdrusschchaschte, Horöldrugge [Haarölkiste], Affechaschte, Pomadechischte, Komode, Räff, Schwitzchaschte beweisen schon den ersten Grad der “Verwendung”: leichter Marsch und “anzüglich” werden auf den Schultern. Dann werden die Namen mit jedem Stundenhalt zärtlicher und deutlicher: So Chaibli, do lischt, so du Anhänglige, leg di, und dann wird er mit Schwung unter die Gewehrpyramiden befördert: Dä huera Sack, dä choge Püntel, dä verdammt Ranze, du schwäre Siech sind zwar gar urchige Ausdrücke, aber man sagt ja erst nach der siebten Marschstunde so, und dann hört der Soldat bekanntlich nur noch gut, wenn “Stundenhalt” oder “Wasserlassen” befohlen wird. “Soldatetod” sagten wir in der Schlussstunde oder wenn der “Essigfuhrme” das Bataillon führte. Ich wollte an diesem Beispiel zeigen, wie anpassungsfähig die Soldatensprache ist.

Habersack, Verdrusspüntel (weil er oft nicht mehr enthält), Magetröster sind Benennungen des Brotsackes. Er leidet an “chronischer Auszehrung”, ist schwindsüchtig und von “ewiger Mägeri” befallen, und dann scheint es noch eine besondere Freude zu sein, “nach dem Befinden” des Kranken zu fragen, bei jedem Halt wird er zudem gründlich untersucht.

[…]

Vgl. auch: https://idiotikon.ch/wortgeschichten1/267-erster-weltkrieg

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 945 (St.Galler-Blätter für Unterhaltung und Belehrung aus Kunst, Wissenschaft und Leben, Illustrierte Sonntagsbeilage zum St.Galler Tagblatt, N. 6, 1917) und ZOA 001/8.064 (Beitragsbild, Legende s. oben)