Desertierte Alpini

Samstag, 29. September 1917 – Bartgeschichte

Vier Monate Gefängnis für einen Bart. Vor einigen Monaten hat ein kriegsbegeisterter Tischlergeselle in Rom seinen [sic] Aerger über die Friedenspartei dadurch Luft gemacht, dass er dem sozialistischen Abgeordneten Maffi in der Strassenbahn den Bart abschnitt, weil seiner Meinung nach der Bart das beste Kennzeichen der pazifistischen Politiker in Italien war. Diese Angelegenheit hat vor dem Gerichtshof ihren Abschluss gefunden. Der Bartabschneider wurde zu vier Monaten Gefängnis, 300 Lire [italienische Währung] Strafe und Konfiskation der verbrecherischen Schere verurteilt, wobei man ihm die sonst in Italien bei nicht vorbestraften Leuten übliche Erleichterung des Strafaufschubs nicht gewährte. Der «Corriere della Sera» bemerkt zu dem Urteil: «Das heisst unserer Meinung nach den Respekt vor dem Gesicht eines Parlamentariers und den Preis der Barthaare allzu hoch setzen.[«]

Zum Beitragsbild: Die im Spätsommer 1915 in die Schweiz desertierten italienischen Gebirgsjäger (Alpini) waren vermutlich aus militärisch-sanitarischen Gründen bestens rasiert. Kriegsmüdigkeit und Friedenswillen war offenbar nicht vom Bart abhängig.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913A (Text: Rorschacher Blätter zur Unterhaltung und Belehrung, Gratisbeilage zur Rorschacher Zeitung, Nr. 7, 1917, 29.09.1917) und W 132/1-010 (Erinnerungsalbum von Leutnant Kaspar Störi, Geb. Sch. Kp IV/8)

Briefcouvert

Freitag, 28. September 1917 – Billette für die Konzertsaison

Der Schriftsteller Heinrich Federer (1866-1928) schrieb in einem Brief an Ernst Kind, den späteren Rektor der St.Galler Kantonsschule, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gymnasiast, aber auch noch nicht Soldat und nicht Student:

Lieber Ernst!

Herzlich wünsche ich Ihnen Glück zum gymnasialen Auskehr und ebenso zur Uniform. Es wird mir ein eigentliches Bedürfnis sein, sobald ich in Zürich bin, an einem der ersten Abende in Ihr gemütliches Heim zu kommen u. alle ihre Lieben u. mir wahrhaft ich weiss nicht wie u. warum so schnell ans Herz Gewachsenen zu grüssen.

Ihr lieber Vater wird gewiss Dinge sehen, die ihm tief in der Stirne eingeschrieben bleiben. Möge ihn ein guter Geist hin- u. zurückbegleiten! Ein kleines boshaftes Schmunzeln konnte ich freilich nicht unterdrücken, als ich «englische Front» las. Was wird die liebe Frau Oberst sagen, wenn Ihr [sic] Gemahl als erklärter Freund britischer Sache u. Seele heimkehrt!! –

Nun habe ich noch eine grosse Bitte: Die Abonnementskonzerte beginnen. Ich besitze leider die Umschläge der letztjährigen Abonnementskonzerte nicht mehr oder weiss doch nicht, wo sie sind. Aber die Billetausgabe [sic] an der Tonhalle kennt mich gut u. wird mir sicher die alten Plätze geben, wenn ich die Nummern anzugeben weiss. Sie waren einigemal mit mir u. können sich die Nummer sicher aus einem Bestuhlungsplan herausnotieren. Es waren folgende Plätze

Bestuhlung Tonhalle Zürich

Zeichnung im Brief von von Heinrich Federer mit Skizzen des grossen Tonhallesaals (links), wo er zwei Plätze auf der Galerie wünschte, und des kleinen Tonhallesaals, wo er im Parkett rechts in der dritten Reihe den ersten und den zweiten Platz ankreuzte

Ich werde nun sofort an die Tonhalle-Verwaltung um diese Plätze schreiben. Ich bitte aber doch dringend Ihr[e] liebe Mutter (ihr traue ich hierin das grösste u. energischste Genie zu!), wenn sie irgend kann u. sobald die Plätze an Abonnenten abgegeben werden, mir doch ja diese Billete [sic] zu holen u. zu bezahlen. Ich werde sofort nach der Heimkehr dafür meinen herzlichen Dank bei Ihrer lb. [lieben] Mutter ausrichten u. das Konto begleichen. Bin ich bis zum 1. Konzert nicht in Zürich, so bitte ich Ihre lb. Mutter, die Bilette doch gefälligst für Ihre lb. Familie zu gebrauchen. Nichts kann mir lieber u. meiner Dankbarkeit willkommener sein.

Und nun noch tausend Grüsse. Das Wetter in diesem Sept. war wunderbar u. seit Jahren konnte ich zum 1. mal [sic] wieder einige Bergtouren ausführen. Gearbeitet habe ich leider so viel wie nichts; dafür bin ich zehnmal gesünder geworden.

In herzl. Begrüssung [sic] an die lb. Geschwister, an Mutter u. Vater bin ich Ihr Heinrich Federer.

NB In den nächsten sechs Tagen lautet m. Adresse, H.F., Hotel des Alpes, Misox, Ct. Graubünden.

Ich ziehe mich langsam talwärts. Aber wenn alles gut geht mit den Billets, brauche ich keine Nachricht.

[Randnotiz:] Vielleicht schickt Ihnen die Tonhalle-Verwaltung die Heftchen zur Nachnahme oder Sie können Sie schon jetzt zur Bürostunde abholen, nachdem ich alles Nötige geschrieben habe.

Heinrich Federer verpasste schliesslich doch den Beginn der Konzertsaison. Im Telegramm vom 2. Oktober 1917 heisst es bitte die billetsgebrauchen:

Telegramm

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Korrespondenz Ernst Kind, Brief von Heinrich Federer vom 28. September 1917)

Firmengelaende Stuerm in Rorschach 1927

Samstag, 22. September 1917 – Tumult an der Sitzung

Die Firma Stürm in Rorschach fühlte sich benachteiligt. Sie warf dem Verband St.Gallischer Sägereibesitzer, deren Mitglied sie war, vor, sie bei der Beteiligung an Exportkontingenten zu wenig zu berücksichtigen. Verbandsintern hatte deshalb am 25. Juli 1917 bereits ein Vermittlungsversuch mit einem externen Experten stattgefunden. Das Ergebnis dieser Besprechung wurde jedoch von der Firma nicht anerkannt. Sie wandte sich an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, das jedoch dem Verband recht gab.  Im Protokoll vom 18. September steht: Dieser Entscheid liegt nun vor, welcher die Handlungen der Kommission vollauf billigt und die an Stürm gemachten Ausfuhrzuteilungen mehr als genügend bezeichnet. Das Departement geht weiter und teilt uns ohne Pflicht hiezu zu haben mit, dass die Firma Stürm im Jahre 1916 270 Waggon Bretter in Kompensation gegen Vieh von Oesterreich her beziehen konnte, ohne dass der Bund sich an dem hohen Gewinne beteiligte. Es wird beschlossen, diesen Entscheid in vollem Wortlaute an der nächsten Hauptversammlung zu verlesen, der Versammlung jedoch zu empfehlen, den Fall diskussionslos ohne weitern Streit heraufzubeschwören, zu erledigen.

Vorgängig zu dieser Hauptversammlung vom 22. September traf sich der Vorstand des Vereins zu einer Vorbereitungssitzung. Um halb neun Uhr gab es im Ochsen in Berneck folgenden Auftritt: Herr Stürm älter. [sic] folgt der Kommission[,] ohne hiezu eingeladen zu sein, auf den Fuss in den Sitzungssaal. Er verlangt kategorisch Ausschaltung des «Falles» auf heutiger Traktandenliste. Nach einigen heftigen Auseinandersetzungen wird Herr Stürm ersucht, das Lokal zu verlassen, um uns an der Sitzung nicht weiter zu stören, was nun geschieht. 

Gut eine Stunde später wurde die ausserordentliche Hauptversammlung eröffnet. Der «Fall Stürm» wurde als drittes Traktandum behandelt: Herr Stürm sucht sich sofort zu rechtfertigen, verliest einige ihm genehme Stellen aus betreffender Korrespondenz und wünscht, dass der Entscheid des Departementes nicht verlesen werde, da dies keinen Wert habe. Nach gemachter Aufklärung durch den Präsidenten wird Verlesung des Entscheides verlangt, welches erfolgt, womit sich die Versammlung befriedigt fühlt. Auf nochmals ausgesprochenen Wunsch der Kommission findet eine weitere Diskussion nicht statt.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 309/1.1 (Informationen und Texte aus Protokollen vom 25.07.1917, 18.09.1917, 22.09.1917) und ZMH 27/007a (Beitragsbild: Auszug aus Briefkopf der Firma Stürm in Rorschach, Firmengelände 1927)

Anzeige

Donnerstag, 20. September 1917 – Sorgen der Textilindustrie

An diesem Tag hätte die nächste Nummer des Fachblatts Mitteilungen über Textil-Industrie erscheinen sollen. Ausgeliefert wurde die Ausgabe jedoch erst am 9. Oktober. Die Gründe dafür waren auf der vorletzten Seite zu lesen: Mitteilung an die Leser. Da trotz frühzeitig begonnenen Umzuges der Druckerei Frank die Druckmaschinen erst am 8. Oktober wieder in Gang gesetzt werden konntnen, erfolgte die Spedition dieser Nummer am 9. November. In der Regel wird die Zeitung Ende Monats gedruckt und prompt mit Beginn des nächsten versandt. Wo die Zusendung verspätet erfolgt, beliebe man bei der Post zu reklamieren oder der Expedition umgehend Mitteilung zu machen, damit für Abhülfe gesorgt werden kann.

Was aber wurde so verspätet berichtet? Herausgepickt seien ein paar Mitteilungen:

Minimalsticklöhne für Stickereiindustrie. Unter dem Vorsitz des Herrn Dr. Kaufmann vom Schweiz. Volkswirtschaftsdepartement hat in St.Gallen eine Besprechung der interessierten Kreise zur Neunormierung der Stichpreise stattgefunden. Von Seiten der Schifflilohnstickereibesitzer war ein Minimalstichlohn von 57 Rappern normiert worden, während die Exporteure nur auf 48, höchstens auf 50 Rappen gehen wollten. Man einigte sich schlieslich auf 54 Rappen für 4/4 Normalware; für sog. Einteilware wird ein Zuschlag von drei Rappen per 100 Stich akzeptiert. Die Erhöung der Minimalstichlöhne wurde notwendig wegen der grossen Steigerungen der Garnpreise und der Verteuerung der verschiedenen andern Bedarfsartikel. (S. 170)

Ausfuhr von Stickereien nach den Vereinigten Staaten. Der Gesamtexport aus dem Konsularbezirk St.Galle nach den Vereinigten Staaten beziffert sich im vergangenen August auf 1,690,942 Fr. gegen 2,7 Milllionen im gleichen Monat des Vorjahres. Der Ausfall beträgt somit 1,009,154 Fr. Der Stickereiexport im besondern stellt sich für August 1917 auf 1,470,670 Fr., was gegenüber August 1916 einen Rückschlag von 960,014 Fr. bedeutet. (S. 170)

Der Siegeszug der Papiergarne. Auch auf das neutrale Ausland scheint sich der Siegeszug der Papiergarne zu erstrecken. Die sächsische Textilindustrie Wilhelm Kaufmann, Pirna, die in Glauchau eine Papiergarnspinnerei besitzt, hat auch bereits in Ronneby in Schweden eine Papiergarnspinnerei  und -weberei errichtet. Diese Gründung darf man wohl darauf zurückführen, dass in Schweden ausgezeichnete Vorbedingungen für diesen Fabrikationszweig gegeben sind, insbesondere die Beschaffung des Rohmaterials nur geringe Schwierigkeiten bietet. (S. 171)

Stillegung der Moskauer Textilfabriken. Die Seidenstoff- und Damenkleiderstoff-Fabriken Moskaus sind jetzt sämtlich stillgelegt worden, da es an Rohstoff- und Brennmaterial mangelt. Die Baumwollfabriken sollen zusammengelegt werden. Nur die Tuchfabriken, welche für den Heeresbedarf arbeiten, werden den Betrieb aufrecht erhalten. Die sämtlichen Baumwollfabriken des Gouvernements Kastroma haben den Betrieb eingestellt. Man zählt über 40,000 Arbeitslose. Die meisten Maschinen sollen, wie berichtet wird, von den Arbeitern zerstört worden sein. (S. 171)

Mitteilungen des Kaufmännischen Direktoriums in St.Gallen. Transit durch Deutschland. Die Exporteure werden darauf aufmerksam gemacht, dass Stickereien, welche den schweizerischen Ausfuhrbestimmungen für Deutschland entsprechen, nicht an die nordischen Einfuhrtrusts adressiert werden müssen, sondern dem nordischen Käufer direkt zuzsenden sind. Bei diesen Stickereien kommen somit die Formalitäten des gelben Ausfuhrgesuches nicht in Anwendung. Ebensowenig haben diese Vorschriften Gültigkeit für irgendwelche Waren, welche durch Ententeländer nach den nordischen Staaten exportiert werden. (S. 175)

Ebenfalls auf S. 175 findet sich nachstehende Anzeige. Die Seitenanzahl bezieht sich nicht auf die Anzahl Seiten in dieser Ausgabe der Zeitschrift, sondern auf den gesamten Jahrgang. Die Anzeige im Beitragsbild steht auf Seite 176.

Anzeige

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 124 (Mitteilungen über Textil-Industrie, 24. Jg., Nr. 17/18, September 1917; Text und Bilder)

 

Broschüre Volk und Heer

Mittwoch, 19. September 1917 – Ein ungeheuer trauriges Schauspiel menschlichen Wirrsals

Die Betriebskommission der Zeitung Ostschweiz konnte folgenden Auftrag verbuchen:

2. Herr Generalstabs-Adjutant Oberstdivisionär [Friedrich] Brügger [1854-1930] will seinen Bettagsvortrag im Katholikenverein der Stadt St.Gallen: «Volk und Heer» in der Ostschweiz erscheinen lassen und wünwt [sic], dass die Druckerei denselben auch in Broschürenform in Verlag nehme und ein Uebererlös dem «Roten Kreuz» zufalle. Einen Ausfall verspricht er zu decken. Die Betriebskommission ist einverstanden, beschliesst ein Format von ca. 14/24, Benützung des Zeitungssatzes, dagegen besseres Papier, Auflage von 800-1000 unter Rückbehaltung des Satzes. In diesem Sinne soll Herrn Brügger eine Vorlage gemacht werden, um event. dessen weitere Wünsche betreffend Verlag zu erfahren. Für die Reklame soll Herr Redaktor [Emil] Buomberger [1877-1939] um seine Mitwirkung ersucht werden, [sic]

In der Sitzung vom 3. Oktober 1917 findet sich ein weiterer Eintrag zum Geschäft:

2. Der in Broschürenform herausgegebene Vortrag Brügger «Volk & Heer» wird dem Katholikenverein St.Gallen zum reduzierten Preise von 30 Rpp. [sic] in 50 Exemplaren abgegeben, weil letztere schenkungsweise an Herrn Generaladjudant [sic] Brügger verabfolgt werden wollen.

Der Schluss von Friedrich Brüggers Bettagsvortrag lautete:

Volk und Heer, das muss unbedingt zusammenhalten und zusammenbleiben, ein starkes, ein wehrhaftes Volk und Heer. Wenn je einmal, so gilt das heute, wo rings um uns die Välker ihr Aeusserstes und Letztes zusammenraffen an Kraft und an Opfer, um oben zu bleiben im blutigen Ringen. Alle Länder und Völker um uns sind nicht als ungeheure Heerlager, wo alles für den Krieg lebt und arbeitet, an der Front die waffenfähigen Männer und hinten der übrige Teil des ganzen Volkes, alle eins, alle opfer- und todesbereit. Es ist das ein ungeheuer grosses Schauspiel menschlichen Opfermutes, aber auch ein ungeheuer trauriges Schauspiel menschlichen Wirrsals.

Wir sind bis heute verschont geblieben. Danken wir Gott dafür, heute besonders, am eidgenössischen Buss- und Bettag des Blutjahres 1917, und bitten wir Gott, dass er uns ferner verschone. Will er aber auch uns die grosse Prüfung nicht ersparen, dann wollen auch wir sie mannhaft bestehen, mit Gott und mit Ehren!

Nähere Angaben zu Friedrich Brügger und Emil Buomberger: vgl. e-HLS (http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D3558.php und http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D6229.php)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Firmenarchiv «Ostschweiz» Medien AG, Protokolle Verwaltungsrat und Betriebskommission, 1915-1920; Texte) und Misc. sep. 119(12) (Beitragsbild)

 

 

Montag, 17. September 1917 – Patent zur Rettung von Unterseebooten

William Kilian aus St.Gallen hatte am 14. April 1917 ein Patentgesuch eingereicht. Am 17. September gleichen Jahres wurde es publiziert:

Gegenstand vorliegender Erfindung ist eine Vorrichtung, durch welche es Unterseebooten, die infolge von Havarien oder Aufbrauchs ihrer Kraftquelle aus eigener Kraft nicht mehr an die Wasseroberfläche gelangen können, ermöglicht werden soll, mittels einer im Bootskörper gelagerten und befestigten, vom Bootsinnern aus lösbaren, bemannten und mit Signalmitteln ausgestatteten Boje Hilfe herbeizurufen.

[…]

Im Innern der Boje ist ein ausziehbares Antennengestänge q angeordnet, sowie ein Telephonapparat r, der durch eine im Kabel untergebrachte, gesonderte, in der Zeichnung nicht näher dargestellte Leitung mit einem zweiten Apparat im Unterseeboot verbunden ist. 

Im weitern ist in der Boje ein Kasten u angeordnet, in welchem Anschlussklemmen untergebracht [sind], die mit einem Kabelstrang für Starkstrom verbunden sind und mittelst welcher die Überführung von Starkstrom von aussen, z.B. von einem zur Hilfe herbeigerufenen Schiff, in das Unterseeboot ermöglicht werden soll, um im Falle Versagens oder Aufbrauchens der eigenen Kraftquelle eventuell Akkumulatoren laden und Pumpen in Betrieb setzen zu können.

Auch werden im Innern der Boje zweckmässigerweise noch Apparate für Abgabe von Laut- und Lichtsignalen, sowie eine Pumpe untergebracht (in der Zeichnung nicht näher dargestellt).

Damit sich die Boje bei starkem Seegang nicht mit Wasser füllen kann, ist ein weiterer Verschluss vorgesehen, bestehend in zwei Klappen s, die von innen dichtend gegen die Antennenstange gepresst werden können (Fig. 3).

Soll die Rettungsvorrichtung in Funktion treten, so werden sich die Operationen folgendermassen folgen:

Zunächst wird das im Kabelkasten und Bojenlager eventuell vorhandene Wasser durch Öffnen des Entleerungshahnes m und Einführung von Pressluft entfernt. Nach Schliessen von m und Absperren der Pressluftzufuhr kann dann die Türe e und darnach Türe c1 geöffnet werden, so dass der Eintritt in die Boje frei ist. Nach erfolgter Bemannung der Boje werden diese Türen in umgekehrter Reihenfolge wieder wasserdicht verschlossen.

Nachdem die vom Bootsinnern aus bestätigbaren Befestigungsorgane, mittelst welcher die Boje auf dem Fundament a festgehalten wird, gelöst worden sind, wird nach vorheriger Öfnnung des Entlüftungsventils p der Aufstieg durch Einlassen von Wasser durch Leitung t in das Bojenlager eingeleitet. Das Bojenlager füllt sich in der Folge allmählich mit Wasser und die Boje wird infolge des sich vollziehenden Druckausgleiches frei und kann ihrem Auftrieb folgend an die Wasseroberfläche steigen. Sollte sie zu fest in ihrem Lager sitzen, so kann nach Schliessen des Entlüftungsventils p und Abschliessens der Leitung t durch Einführen von ihm Boot erzeugtem Druckwasser, dessen Druck dann natürlich grösser sein muss als der der [sic] auf der Boje lastenden Wassersäule, ein Herauspressen der Boje bewerkstelligt werden.

Die Geschwindigkeit des Aufstieges kann durch die Scheibe h auf mechanischem Wege oder von Hand beeinflusst werden. An der Wasseroberfläche angekommen, wird der Bojeninsasse ein telephonisches Zeichen geben, worauf das weitere Abwickeln des Kabels durch die auf das Sperrad wirkende Sperrklinke unterbrochen wird. Nach Öffnen des Deckels c2 kann nun das Antennengestänge ausgeschoben und können die nötigen Vorkehrungen für die Einleitung des drahtlosen Verkehrs, Signalgebung usw. getroffen werden. Bei stürmischem Wetter wird der Insasse genötigt sein, die obere Öffnung von innen mittelst der Klappen s wasserdicht zu verschliessen. Erfindung zur Rettung U-Boot

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZW 2 R/117b-075720

Giovanni Wenner

Dienstag, 11. September 1917 – Verwitwete Frau sucht Bleibe

Adele Berner-Wenner berichtete ihrer Schwester aus Zürich:

[Randnotiz:] Erhalten – i[n] Fratte

Zürich

Dienstag, 11. Sept. 1917.

Meine liebe Silvia

Ich will Euch auch wieder einmal Nachricht von uns geben, & hoffe es gehe Euch allen immer gut. – Zuletzt schrieb ich Dir beigeschlossen, in einem Brief an Mama, & unterdessen habe ich Mama’s Brief vom 25. Aug. bekommen, für den ich ihr sehr danken lasse.

Von Clara hörte ich gestern[,] dass Lili nicht mehr bei Maria ist, da stelle ich mir vor[,] dass Du gewiss öfter in Anspruch genommen bist. Wie geht es wo[h]l den Kindern? Kann Gianni jetzt ein wenig mehr zu essen bekommen? Wie [sic] entwickelt sich Valentin? nimmt [sic] er immer schön zu? – Ich frage mich oft[,] ob Ihr noch immer so warmes Wetter habt. Nimmst Du noch immer Meerbäder, & tun sie Dir gut?

Meine Pläne sind sehr unbestimmt, dadurch das man noch nicht festgestellt hat ob, & wann die Herbstferien sein werden. Der letzte Vorschlag wäre[,] dass die Kinder vom 26. Oct. an, etwa 3 Wochen Ferien hätten & dann vom 20. Dec. an, bis Ende Januar. Man sucht nach dem besten Mittel[,] Kohlen zu sparen, aber es ist sehr schwierig, weil es für arme Kinder ein grosser Nachteil ist, in der kalten Jahreszeit so lange Ferien zu haben. Auf jeden Fall will ich jetzt etwa am 22ten. zu Paul’s nach Bellevue gehen, & wenn es dann eben so spat wird[,] dass Alex für die Ferien nicht mehr zu ihnen kann, so muss ich mir einen Ort ausdenken, wo wir diese Zeit verbringen können. Für den Winter ist es auch schwer[,] etwas einzurichten, heute morgen hatte ich die grosse Enttäuschung von Fr. Pfarrer Leckner [?] zu hören, dass sie wahrscheinlich keine Pensionäre werde nehmen können. Ich muss mich nun noch da hinein denken. –

Heute haben wir seit langer Zeit zum ersten mal [sic] schreckliches Regenwetter, nachdem wir wundervolle Tage gehabt haben. Ich habe [2 Wörter unlesbar], mit Commissionen viel zu tun, aber ich habe doch oft Zeit[,] mit den Cousinen zusammen, mit Buch oder Arbeit bis nach dem Thee auf der Terrasse oder im Garten zu sitzen, was herrlich ist; nur diese Woche kann ich am Nachm. fast nie zu Hause sein. Alex sehe ich sehr oft, eigentlich fast jeden Tag, & er ist überglücklich mit seinem Velo, nur hat es letzthin einen Fall gegeben, wobei er zu Glück besser davongekommen ist, als sein Schutzblech! – Am Sonntag durften wir zum ersten mal [sic] Lorly sehen, die eine sehr schwere Operation durchgemacht hat, es musste ganz radical gemacht werden, aber der Arzt versichert[,] dass sie nachher wieder ganz gesund sein werde. Nach den ersten schlimmen Tagen erholt sie sich auch merkwürdig rasch. –

Rose ist erst vorgestern von Zermatt heim gekommen, & ich habe sie noch nicht sehen können. Jean musste schon früher heim kommen für die Schule, & habe ich einmal mit ihm und Alex im Sonnenberg zu abend gegessen. Er hat sich verändert seit letztem Jahr, er ist so recht in den männlichen Backfischjahren, hoffentlich gewinnt er nachher wieder nach jeglicher Richtung. Er ist so complet vom Sportstaumel ergriffen, dass Alex dagegen gar nichts ist; leider ist er sehr klein geblieben, & mit den langen Hose & dem “langen” Haar fällt es noch mehr auf.

Mama Berner ist seit bald 2 Wochen bei Dr. Bircher installiert, wo es ihr sehr gut gefällt.

Beppina gefällt es aber bedeutend weniger & sie behauptet[,] sie sei ganz schwach auf den Beinen vom wenig essen; das Müsli [Birchermüesli] schmeckt ihr eben gar nicht.

Wie sind wo[h]l die Photos gelungen, die Du von Gianni & Alex beim sägen [sic] gemacht hast?

Habt Ihr etwas über Arnold’s Hochzeit gehört, & bleibt dass junge Paar wirklcih in der Villa Predengano [?]?

Nun lebe recht wohl, liebes Kleinsele, grüsse die Eltern & Geschwister sehr herzlich, & Dich selbst auch von mir & von den Cousinen. Es umarmt Dich mit einem innigen Kuss

Deine Dich herzlich liebende

Adèle

Die Brüder Gianni (Giovanni) und Valentin Wenner waren die Kinder von Fritz und Maria Wenner-Andreae (vgl. u.a. Beiträge vom 7. März, 13., 20. und 21. April 1917). Über die Ess- und Trinkgewohnheiten sowie über die Verdauungsbeschwerden der Kleinen wird berichtet im Beitrag vom 12. Januar 1916.

Giovanni Wenner-Legler (1914-2010) war der Chronist der süditalienischen Textilindustrie mit Schweizer Wurzeln. Ihm ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass das umfangreiche Familienarchiv gesammelt und im Staatsarchiv St.Gallen gesichert werden konnte.

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 Quellen: W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner) und W 054/74.41 (Beitragsbild: Giovanni Wenner auf Esel, ca. 1922)

Kneippanstalt Krähenmann, Risegg, Gemeinde Thal

Samstag, 8. September 1917 – Unglück im Steinbruch

Neuestes und Telegramme.

Unfall in den Steinbrüchen ob Buchen.

Staad, 8. Sept. * [sic] Gestern nachmittag ging eine Frau aus Rorschach mit ihrem sechsjährigen Knäblein Beeren suchen bei den Steinbrüchen ob Buchen. Eben hatten sie noch den Kleinen gemahnt, doch vorsichtig zu sein und schnell nachher fiel er über eine zirka zwölf Meter hohe Felswand. Wider Erwarten lebte das Kind noch, hatte aber einen Schenkelbruch, eine Wunde an der Stirne, und klagte über Schmerzen in der Brust. Herr Dr. Krähenmann, Risegg, legte dem Verunglückten einen Notverband an und zwei Männer trugen den Patienten auf einer Tragbahre ins Krankenhaus Heiden. – Ob sich nichts machen liesse zur Verminderung der Absturzgefahr in diesem Steinbruchgebiet?

Das Kurhaus Risegg präsentierte sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs folgendermassen. Offenbar hatte man den auf dem Beitragsbild von ca. 1899 zu sehenden Laubenanbau in der Zwischenzeit durch ein festes Gebäude ersetzt :

Risegg, ca. 1910

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913 (Rorschacher Zeitung, Nr. 209, 08.09.1917) sowie W 238/02.13-11 (Ausschnitt aus Ansichtskarte aus dem Verlag von U. Rhomberg, Fotograf, St.Fiden, ca. 1910) und W 238/02.13-08 (Beitragsbild, Ausschnitt aus Ansichtskarte des Verlags Gebrüder Weigmann, St.Gallen, C.B. 2027, ca. 1899)

Schiffahrt auf dem Rhein, Ausschnitt aus Briefkopf

Freitag, 7. September 1917 – Kriegssteuer und Korrespondenzschmuggel

Die Rorschacher Zeitung meldete unter anderem:

Kriegssteuer. Das st.gallische Mittelstandskomitee, das am letzten, stark besuchten kantonalen Mittelstandstag ins Leben gerufen wurde, richtet in Sachen der Finanzreform im Bund eine Kundgebung an die eidg. Räte. In dieser Kundgebung wird dagegen Stellung genommen, dass der Bundesrat im Jahre 1918 keine Kriegssteuer erheben wolle, während der st.gallische Mittelstandtstag die Wiederholung dieser Kriegssteuer als das beste und gerechteste Mittel betrachte, das finanzielle Gleichgewicht im Bundeshaushalte wieder herzustellen. Es sei angesichts der gewaltig anschwellenden Mobilisationsschuld nicht einzusehen, weshalb im Bezuge der Kriegssteuer nun ein Ruhejahr eintreten soll. Fortgesetzt stünden unsere Wehrmänner an der Grenze, opfern einen grossen Teil ihrer Zeit und ihres Verdienstes dem Vaterlande; da wäre es nicht zu verstehen, wenn die besitzenden Kreise des Landes in ihren Steuerleistungen zurückhalten würden. Der Verzicht der 50 Millionen Franken Einnahmen im Jahre 1918 durch den Bund müsste nach der Ansicht des [sic] Mittelstandskommission in weiten Volkskreisen Unzufriedenheit hervorrufen.

Schärfere Massnahmen gegen den Schmuggel. Die Heerespolizei bezw. der Departementschef Nord-Ostschweiz in Schaffhausen hat verfügt, dass künftig von dem aus dem Ausland in den Schweizerhäfen eintreffenden Schiffen ähnlich wie die Zivilreisenden auch die Schiffsmannschaften nur an Land gehen dürfen, wenn sie mit Pässen versehen sind. Damit unterläge das Dienstpersonal den gleichen Kontrollmassnahmen wie die Reisenden, was die Schiffsbediensteten wohl veranlassen wird, während des Aufenthaltes in den schweizerischen Häfen an Bord zu bleiben, wie es die schweizerische Schiffsmannschaft seit Kriegsausbruch in den Häfen auf deutschem Gebiete macht. Diese Neuordnung wird manchem begründeten oder unbegründeten Verdacht auf Brief- und Warenschmuggel durch die bayrischen und württembergischen Schiffsleute die Spitze brechen.

Nächster Beitrag: 8. September 1917 (erscheint am 8. September 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913 (Rorschacher Zeitung, Nr. 208, 07.09.1917) und ZMH 64/703 (Beitragsbild, Ausschnitt aus Briefkopf Nordostschweizerischer Verband für Schiffahrt Rhein-Bodensee, 1918)

Briefkopf

Montag, 3. September 1917 – Lebensmittelknappheit: Abschiebung von Internierten?

Wann genau Franz Eberle (1885-1941), Ingenieur, folgendes Schreiben erhielt, ist unbekannt. Datiert ist der Brief mit Flums, den 31. Aug. 1917. Der Text nimmt am Anfang Bezug auf die Postspedition in Kriegszeiten. Leider ist nicht eruierbar, was der Angesprochene in Bern offenbar regelmässig bestellte. Tabak vielleicht, da das Produkt offenbar in Kistchen abgepackt war?

Mein Lieber!

Es freute mich, wieder einmal ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Deinen letzten Brief habe [ich] leider nicht erhalten & musste daher annehmen, Du seist von München weggezogen. Sonst hätte Dir schon vor längerer Zeit geschrieben. Habe auch in Bern nach Deinen event. Bestellungen gefragt & keine Antwort erhalten. Daher der Ausfall. Am 29. Aug. habe [ich] nun für Dich vorläufig die August-Bestellung nach Bern abgehen lassen & zugleich die Fr. 19.50 abgeliefert. Ich fragte auch nach, ob man für die frühern Monate nachbestellen dürfe. Gegebenenfalls werde [ich] Dir natürlich wenigstens noch 2 Kistchen nachsenden lassen. Die Sache dürfte so ohne weiteres in Ordnung kommen. – Es freut uns, dass es Dir immer gut geht. Auch wir befinden uns wohl. Habe zur Zeit sehr viel zu tun, da ich zu all dem andern noch den Vorsitz in unserer Gemeindefürsorgekommission übernehmen musste & die Rationierung von Brot, Butter & verschiedenen andern Lebensmitteln vorzubereiten habe. Die Folgen des Krieges machen sich nun auch bei uns immer fühlbarer, so dass man bereits ernstlich von der Abschiebung der Internierten spricht. Ein Glück, dass wenigstens noch eine gute Ernte zu erwarten steht. Hoffen wir auf baldige bessere Zeiten.

Freundl. Grüsse von mir & d. Mutter.

Anton.

Nächster Beitrag: 7. September 1917 (erscheint am 7. September 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 072/5.4 (Text) und ZMH 19/001c (Beitragsbild)